Wenn Religion mit politischer Macht und dem Patriarchat verknüpft ist, kann sie die intimsten Beziehungen und die Würde des Einzelnen zerstören, wie dieses iranische Familiendrama zeigt. Die Jury war beeindruckt von der reichen Symbolik des Films, seinem mutigen und hoffnungsvollen Ende, seinen humorvollen Momenten und seiner herzzerreißenden Spannung. Die Subtilität und Nüchternheit seiner dramaturgischen und filmischen Gestaltung lassen ihn zu einer Metapher für jede autoritäre Theokratie werden.
77. Festival de Cannes
Den Preis der Ökumenischen Jury in Cannes 2024 erhielt der Film "The Seed of the Sacred Fig" von Mohammad Rasoulof (Deutschland, Frankreich, Iran 2024), der auch den Preis der Jury der internationalen Filmkritik (Fipresci) gewann. Der iranische Regisseur war kurz zuvor nach einer Verurteilung zu Peitsche und Gefängnis aus seinem Heimatland geflohen und trat in Cannes erstmals an die Öffentlichkeit. Bereits 2020 wurde sein Film "There is No Evil" (Doch das Böse gibt es nicht, Iran 2020) auf der Berlinale mit dem Preis der Ökumenischen Jury und dem Goldenen Bären ausgezeichnet.
Die internationale Festivaljury unter dem Vorsitz der amerikanischen Schauspielerin und Regisseurin Greta Gerwig verlieh die Goldene Palme an "Anora" von Sean Baker (USA 2024) und Silberne Palmen an "All We Imagine As Light" von Payal Kapadia (Frankreich, Indien, Niederlande, Luxemburg 2024; Grand Prix der Jury) und "Emilia Pérez" von Jacques Audiard (Frankreich 2024; Prix du Jury). Rasoulofs "The Seed of the Sakcred Fig" wurde mit einem Prix Spécial der Jury ausgezeichnet.
In diesem Jahr feierte die Jury œcuménique in Cannes ihr 50. Jubiläum. Sie verlieh aus diesem Anlass im Namen von INTERFILM und SIGNIS, den Trägerorganisationen der Jury, seinem Werk zu Ehren einen Sonderpreis an Wim Wenders, der für seine Filme in Cannes zuvor bereits drei ökumenische Auszeichnungen erhalten hat - Preise der ökumenischen Jury für "Paris, Texas" (1984) und "Perfect Days" (2023) sowie eine Lobende Erwähnung für "The Salt of Earth" (2024).
Die ökumenische Jury trat 1974 bei der 27. Ausgabe des Festivals erstmals zusammen und verlieh ihren Preis an "Angst essen Seele auf" von Rainer Werner Fassbinder. Eine Lobende Erwähnung erhielt damals "The Conversation" (Der Dialog) von Francis Coppola, der in diesem Jahr mit seinem Film "Megalopolis" im internatiuonalen Wettbewerb des Festivals vertreten ist.
Zum Jubiläum der Jury hat Jean-Luc Gadreau, designierter Festivaldelegierter von INTERFILM in Cannes und Präsident von Interfilm France, ein Video mit Statements ehemaliger Preisträger der Jury œcuménique (Wim Wenders, Atom Egoyan, Ken Loach, Hirokazu Kore-eda, Mohsen Makhmalbaf, Krzysztof Zanussi und Denys Arcand) produziert. Außerdem wurde ein Booklet mit Grußworten von Julia Helmke (Präsidentin von INTERFILM), Helen Osman (Präsidentin von SIGNIS), David Lisnard (Bürgermeister von Cannes) und Festivalleiter Thierry Frémaux sowie einer Liste der Preisträger erstellt.
Download: 50 Years of the Ecumenical Jury at the Festival de Cannes
Link: Website der Jury œcuménique
Auszeichnungen