Festivalbericht von Hans Hodel, Präsident von INTERFILM

Das 15. Filmfestival Visions du Réel verzeichnete mit 30´000 Besuchern einen neuen Publikumserfolg. Während sechs Tagen wurden in vier Vorführräumen 143 Produktionen gezeigt, die sowohl formal wie inhaltlich zwar sehr unterschiedlich, aber ästhetisch immer eigenständig und überraschend waren. Das Interesse war gelegentlich so gross, dass Besucher abgewiesen werden mussten, was die Vertreter der Stadt veranlasste, öffentlich über die Erweiterung des Platzangebotes nachzudenken.

Im Spannungsfeld von Leben und Tod

Im Wettbewerb, der zwanzig Filme umfasste, ragten einige Schweizer Produktionen im thematischen Spannungsfeld von Leben und Tod heraus. Die Innerschweizer Filmemacher Silvia Haselbeck und Erich Langjahr stellen mit ihrem Film "Die Geburt" das Geheimnis des werdenden Lebens in den Mittelpunkt. Der Zuschauer erlebt die einfühlsam und respektvoll dargestellte Geburt des Menschen als elementares, körperliches und sinnliches Erlebnis. Peter Liechtis "The Sound of Insects" weckt dagegen die Aufmerksamkeit mit der beinahe mythologisch wirkenden Visualisierung des Tagesbuches eines namenlosen Mannes, der sich in Japan zum Sterben in einen abgelegenen Wald zurückgezogen hat. Der in Kanada lebende Peter Mettler drehte für Greenpeace den Film "Petropolis", der aus der Perspektive eines Flugzeuges die gigantischen Dimensionen der toxischen Rückstände des beim Abbau von Teersand vor Augen führt.

Preissegen für "Die Frau mit den 5 Elefanten"

Mit dem Preis SSR idée suisse, dem Preis Suissimage und einer lobenden Erwähnung der interreligiösen Jury wurde Vadim Jendreykos "Die Frau mit den 5 Elefanten" ausgezeichnet, der demnächst in die Schweizer Kinos kommt. Im Mittelpunkt steht das liebevolle und berührende Porträt, der 1923 in der Ukraine geborenen Swetlana Geier. Sie hat sich in Deutschland mit einer Übersetzung der fünf grossen Romane von Dostojewski profiliert und trotz zahlreicher Schicksalsschläge eine höchst sensible Menschlichkeit bewahrt.

Interreligiöser Preis für japanischen Film "Seishin"

Die interreligiöse Jury mit Herz Frank (Lettland/Israel), Saïda Keller-Messahli (Tunesien/Schweiz), Therese Mäder (Schweiz) und Mikael Mogren (Schweden) hatte manchen Anlass, über ästhetische und ethische Fragen der Bildgestaltung, Respekt gegenüber dem Menschen und den Grenzen der Darstellung von Tabuthemen zu diskutieren. Ihren Preis vergab sie an den japanischen Film "Seishin"/"Mental" von Kazuhiro Soda, in dessen Zentrum als psychisch krank diagnostizierte Menschen stehen. Sie geben Einblick in ihre Innenwelt und führen vor Augen, wie fliessend die Grenze zwischen "gesund" und "krank" fliessend ist. "Der Film vermittelt ein respektvolles Bild menschlicher Integrität", hielt die Jury in ihrer Preisbegründung fest.

www.visionsdureel.ch