Kommentare und Notizen zum Festival. Von Waltraud Verlaguet

Black Flies (Internationaler Wettbewerb)

Black Flies von von Jean-Stéphane Sauvaire: Ein sehr harter Film, so hart wie die Gesellschaft, in der die Sanitäter, denen er gewidmet ist, versuchen, Leben zu retten. Der Abspann lehrt uns, dass mehr Notärzte durch Selbstmord umkommen als im Einsatz oder durch Krankheit.

The Zone of Interest (Un Certain Regard)

Ein historischer Film, The Zone of Interest von Jonathan Glazer, greift die Biografie von Rudolf Höss, dem Kommandanten des Lagers Auschwitz, auf. Seine Stärke besteht darin, das Grauen durch das zu zeigen, was er nicht zeigt. Wir sehen, wie die ebenso fröhliche wie zahlreiche Familie Höss im Fluss schwimmen geht. Madame hat an der Lagermauer ein wahres „Paradies“ geschaffen, während Papa abends den Kindern Märchen vorliest. Und doch spuckt im Hintergrund der Kamin sein Feuer.

Kuru otlar ustune (About Dry Grasses, Internationaler Wettbewerb)

Nuri Bilge Ceylans neuer Film About Dry Grasses führt uns in eine abgelegene und arme Region Anatoliens, die für einen jungen städtischen, intellektuellen und idealistischen Lehrer als Selbstfindungs-Wüste fungiert. Von einer Schülerin, der er besonders zugetan war, zu Unrecht beschuldigt, und in Konkurrenz mit seinem Mitbewohner um die Liebe einer Kollegin fällt es ihm schwer, seine Gefühle zu ordnen. Durch gewöhnlichen Klatsch in die Realität zurückgeholt, desillusioniert und verzweifelt durch den Verlust seiner Illusionen, gewinnt er durch den Widerspruch der umworbenen Kollegin, einer politischen Aktivistin, wieder Lebenslust. Aus Desillusion entsteht Mitgefühl für diese „trockenen Gräser“, denen niemand Beachtung schenkt und die jedoch jede lange Schneesaison überleben. Wir sehen immer nur Schnee. Er friert sogar Gefühle ein, und doch: Das Tauwetter verdient unsere ganze Aufmerksamkeit.

Indiana Jones and the Dial of Destiny (Außer Konkurrenz)

Eine pure Entspannung zum Abschluss: Indiana Jones and the Dial of Destiny von James Mangold, präsentiert außer Konkurrenz. Die vorherrschende Farbe des Films ist Sepia, als wollte er deutlich machen, dass es sich um ein Märchen handelt, eine Erinnerung an die „gute alte Zeit“... Nichts wirklich Neues, aber wir sind so glücklich, die Helden unserer Jugend wiederzufinden! Harrison Ford zu Pferd, wie er durch U-Bahn-Tunnel galoppiert, ist unbezahlbar. Und Mads Mikkelsen als Nazi, von unten gefilmt vor einem Sternenhimmel, ist einfach meisterhaft. Was wäre, wenn diese Suche nach einem Riss in der Raumzeit, von der so viele Künstler geträumt haben, nur eine Metapher für unsere Suche nach unserer Jugend wäre?