Ehrenmitglied von INTERFILM verstorben

Maurice Terrail (1933-2014) – Ein kirchlicher „Monsieur cinéma“


Von Hans Hodel - Anfang Mai ist in St.Sulpice am Lac Léman (Schweiz) Pfarrer Maurice Terrail, der frühere Film- und Fernsehbeauftragte der reformierten Kirchen der französischsprachigen Schweiz, in seinem 82. Lebensjahr gestorben. Für seine Verdienste um die Präsenz der kirchlichen Filmarbeit am Film Festival in Cannes hat ihm INTERFILM im Jahr 2000 anlässlich der 38. Generalversammlung in Mannheim die Ehrenmitgliedschaft verliehen.

Maurice Terrail war in der Romandie (wie man die französischsprachige Westschweiz nennt) als „Monsieur Cinéma de l’Église“ eine markante Persönlichkeit. Obwohl 1933 in Paris geboren, wurde er voll und ganz am Lac Léman heimisch, besuchte das Gymnasium in Lausanne, studierte an der dortigen Universität evangelische Theologie und wurde Gemeindepfarrer in St-Légier und Oulens. Ziemlich unvorbereitet erreichte ihn 1968 die Berufung als Leiter des protestantischen Filmbüros in Lausanne („Office protestant romand du cinéma“), dem er bis zu seinem offiziellen Ruhestand 1998 und interimistisch bis 2000 kompetent vorstand. Mit dieser Berufung nahm er das Erbe der Pioniere protestantischer Filmarbeit, die zu den Gründern von INTERFILM gehören, mit Leib und Seele ernst. Er hatte schnell die Bedeutung des Films in der Gesellschaft und seine Möglichkeiten für die Gemeindearbeit erkannt. Er reiste unermüdlich mit dem 16mm-Projektor von Gemeinde zu Gemeinde für die Vorführung und Diskussion von kurzen Animationsfilmen oder manchmal auch langen Spielfilmen, die im Rahmen eines eigenen kirchlichen Verleihs zur Verfügung standen, um für ethische Fragen und die Botschaft des Evangeliums zu sensibilisieren. Dabei ging es ihm wesentlich immer um den Respekt gegenüber der Würde des Menschen, gegen Manipulation und Intoleranz. 

Er initiierte vor mehr als vierzig Jahren einen noch heute aktiven Studienkreis für Film („Cercle d’études cinémathographiques“), in welchem an wechselnden Orten ausgewählte Kinofilme zur Diskussion gestellt werden. Die dabei gemachten Erfahrungen gaben 1981 den Anstoss zur Gründung der vierzehntäglich erscheinenden, mit bescheidenen Mitteln produzierten ökumenischen Filmzeitschrift „Ciné-Feuilles“, die seine französischsprachige Leserschaft kritisch über das aktuelle Filmgeschehen in Kino und Fernsehen informiert (https://www.cine-feuilles.ch/). Bis zu seiner Pensionierung hat er die Herausgabe dieser Zeitschrift mit einem ehrenamtlichen Team geleitet, lange Zeit auch unterstützt von seinem katholischen Kollegen Yvan Stern aus Fribourg, und die Tatsache, dass dieses Team ihr Erscheinen heute noch, nach über 700 Ausgaben, sicherstellt, grenzt an ein kleines Wunder, umso mehr als mit der Pensionierung von Maurice Terrail das „Office protestant romand du cinéma“ aus finanziellen Gründen aufgehoben wurde.

1973 gehörte Maurice Terrail zu den Mitbegründern der ersten Ökumenischen Jury am Film Festival in Locarno und folgerichtig zusammen mit Mady de Tienda aus Paris auch zu den Initianten für die erfolgreiche Zusammenlegung der katholischen Jury (seit 1952) und der evangelischen Jury INTERFILM (seit 1969) zur Ökumenischen Jury 1974 in Cannes. Maurice Terrail selber war eher selten Mitglied dieser Jurys, hingegen wurde er 1984 Nachfolger von Mady de Tienda als koordinierender Festivaldelegierter von INTERFILM, der sich diplomatisch geschickt um die Beziehungen zum Festival und ebenso gewissenhaft um die personellen und organisatorischen Belange der Ökumenischen Jury kümmerte, und dabei auch finanzielle Mittel investierte. Als er die Verantwortung für die Sicherstellung dieser Präsenz 2000 an Denyse Muller übergab, würdigte INTERFILM an der 38. Generalversammlung in Mannheim sein grosses und verdienstvolles Engagement mit der Ehrenmitgliedschaft. Dabei wurden auch Erinnerungen wach an die grosszügige und elegante Art seiner Organisation der Generalversammlung 1995 von INTERFILM in Genf und am Lac Léman im Zeichen des 40jährigen des Bestehens von INTERFILM, welche ganz im Sinne der Internationalität der Stadt Genf auch die Teilnahme von Vertreterinnen Osteuropas und anderer internationaler Gäste möglich machte.


Maurice Terrail war freilich nicht nur die grosse Leinwand wichtig, sondern auch der kleine Bildschirm. 1980 wurde ihm neben der Leitung des Filmbüros auch die Verantwortung für die religiösen Sendungen beim französischsprachigen Fernsehen der Schweiz (TSR, heute RTS) übertragen. Dazu gehört u.a. auch die Planung, Betreuung und Kommentierung von Gottesdienstübertragungen aus der deutschen Schweiz oder aus dem Ausland, was regelmässig eine Zusammenarbeit über die Sprachgrenzen hinaus bedingte. Dass es dabei angesichts seines Stolzes auf die französische Kultur und wegen seiner mangelnden Fremdsprachenkenntnisse manchmal Schwierigkeiten geben konnte, vermochte ihn nie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er wusste sie gelassen zu meistern. Und in dieser Meisterschaft kümmerte er sich auch um die Organisation des alle zwei Jahre stattfindenden „Prix Farel“, eines Festivals für religiöse Sendungen der lateinischen Fernsehsender Europas, das immer wieder auch von der Weltorganisation für Christliche Kommunikation (WACC) unterstützt wurde. „Je ne l'ai rencontré que deux ou trois fois, toujours dans le contexte d'un festival“, schreibt Philipp Lee, Programmdirektor von WACC. „Pour moi il personnifiait la rectitude, mais avec un sourire! La foi lui était inhérente et sa vie illustrait le bon serviteur, des valeurs qui sont de plus en plus rares. Qu'il repose en paix.“