"Cinema for Peace" 2009 in Berlin
Ein Spielzeuggewehr wurde Ahmed zum Verhängnis. Er geriet damit ins Visier israelischer Soldaten, die schossen echt. Ahmed starb in einem Krankenhaus in Haifa. Ein Arzt sprach den trauernden Vater an: Die Organe des Jungen könnten einigen Kindern das Leben retten. Ismael Khatib telefonierte mit seiner Frau, mit dem Mufti und auch mit dem Chef der Al-Aksa-Brigaden – und willigte ein. Die Nachricht ging im November 2005 um die Welt: Ein palästinensischer Vater überlässt die Organe seines ermordeten Kindes einem israelischen Krankenhaus. Eine grandiose Geste. Eine Geschichte, die im Film erzählt werden muss. Mit dieser Idee kam der junge Israeli Leon Geller zum Berlinale Talent Campus und von dort zur Evangelischen Produktionsfirma Eikon, die sich für das Projekt gleich begeisterte. Doch erst als auch der deutsche Regisseur Markus Vetter mit im Boot war, konnte „Das Herz von Jenin“ gedreht werden. Der Film wurde anlässlich der Berlinale vorgestellt und – im großen Rummel beinahe unbeachtet – bei der Gala „Cinema for Peace“ als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. Im Mai wird er in die Kinos kommen. Für ihn sei es eine Offenbarung gewesen, sagt Regisseur Markus Vetter, wie die Menschen im Flüchtlingslager Jenin tatsächlich leben. Das wolle er nun weitergeben, weil es hierzulande immer noch viel zu wenige wissen.
Es ist ein Vater-Film geworden. Im Mittelpunkt steht Ismael, der palästinensische Vater, dessen Leben sich durch den Tod seines Jungen so sehr gewandelt hat. Einst ein Intifada-Kämpfer, der mehrere Jahre in israelischen Gefängnissen verbrachte, leitet er heute ein Jugendzentrum, das die Kinder von Jenin mit Bildungsangeboten vor militanten Karrieren bewahren will. Ismael hofft auf die Kinder diesseits und jenseits der Sperrzäune, die das Westjordanland zu einem großen Gefängnis machen. Ein bißchen fühlt er sich ja auch als Vater der israelischen Kinder, die durch die Organe seines Sohns gerettet wurden. Gemeinsam mit dem Filmteam kann er sie nun besuchen. Herzlich wird er aufgenommen bei der drusischen Familie und nicht minder herzlich von den Beduinen. Nur die jüdisch-orthodoxe Familie, deren kleine Tochter Menuha Ahmeds Niere bekommen hat, tut sich peinlich schwer mit der Begegnung. Vater Yaakov Levinson erscheint als der ressentimentgeladene, verdruckste Gegenspieler zum gelassenen, geläuterten Ismael. Aber gerade darum ist er es, der den Film aufregend macht. Denn es kommt nicht oft vor, dass jemand vor der Kamera so offen seine Verlegenheit preisgibt, die Beschämung, die entsteht, wenn der Feind zum Retter wird. Kläglich wirken seine Versuche, das eingefleischte Vorurteil gegen „die Araber“ zu verteidigen, jämmerlich der Rückzug hinter die gewohnten Bastionen. Aber wer kennt das nicht von sich selbst? Am Ende der peinsam förmlichen Begegnung mit dem palästinensischen Vater sagt Yaakov: „Schade, dass wir uns nicht früher begegnet sind!“ Vielleicht wird Ismaels Traum einmal wahr: Vielleicht wird die kleine Menuha, das blasse, scheue Kind, eines Tages den Weg ins Freie finden und an Ahmeds Grab Blumen niederlegen.