Midnight Traveler
Schicksalhafte Entwicklungen und überraschende Wendungen im Leben ihrer Protagonist*innen sind für Dokumentarfilmer*innen willkommene Zutaten. Aber wenn der Regisseur und seine Familie selbst Protagonist*innen im eigenen Film sind, wird jede bedrohliche Lage zum Gewissenskonflikt. Soll man die dramatischen Momente filmen oder ist der Gedanke an eine gute Filmszene mitten im Unglück unmoralisch?
Eine Todesdrohung der Taliban bringt den afghanischen Regisseur Hassan Fazili und seine Frau Fatima Hussaini, ebenfalls Filmemacherin, im Jahr 2015 in diese Situation. Zusammen mit den beiden Töchtern Nargis (11) und Zahra (6) fliehen sie auf der Suche nach Sicherheit aus der Heimat ins ferne Europa. Das Ehepaar und auch die beiden Töchter filmen die mehrjährige Reise mit ihren Mobiltelefonen. Auf der Balkanroute, während langer und ungewisser Aufenthalte in verschiedenen Flüchtlingslagern, gibt es ihnen Kraft, ihre schwierige Situation zu dokumentieren. (Festivalinformation, Berlinale 2019)
Die Ökumenische Jury vergibt eine Lobende Erwähnung an "Midnight Traveler" für seine einzigartige Darstellung einer Fluchterfahrung. Indem er die Flucht seiner Familie aus Afghanistan lediglich durch die Verwendung von Filmmaterial nacherzählt, das anhand von drei Smartphones aufgezeichnet wurde, verleiht Fazili der weltweiten Migrationskrise eine besondere Dringlichkeit und Unmittelbarkeit. Seine rauen und gleichermaßen liebevollen Bilder werden durch den entschlossenen Geist seiner Frau und seiner beiden Töchter vertieft und offenbaren hoffnungsvolle Menschlichkeit und immerwährende Liebe inmitten laufend sich wandelnder Umstände. (Foto: © Old Chilly Pictures)