Stefan Kaspar gestorben

Nachruf von Hans Hodel und Bernd Wolpert

Stuttgart/Bern, 18.10.13  Wie wir erfahren, ist der in Lima lebende Schweizer Filmemacher und Produzent Stefan Kaspar am Samstag, den 12. Oktober 2013 überraschend in Bogota gestorben. Wie die peruanische Online-Zeitung larepublika.pe meldete, hatte er an dem kleinen Alternativfestival „Ojo al sancocho“ teilgenommen und dort auch noch eine Rede gehalten.


Der 1948 in der Schweiz geborene und aufgewachsene Stefan Kaspar, der in Biel und Bern Kommunikationswissenschaften studierte und bis 1978 als unabhängiger Journalist und Filmemacher arbeitete, reiste als junger Mann für ein Filmprojekt über Migrationsprobleme nach Peru. Von dem Land und seiner Filmszene war er so fasziniert, dass er dorthin auswanderte und in den folgenden Jahrzehnten die peruanische Filmlandschaft nicht unwesentlich mitprägte. Dem deutschen und europäischen aber auch dem Publikum in Lateinamerika wurde er durch die Arbeit der Grupo Chaski bekannt, einem Filmkollektiv, das er mit begründet hat. Schon der erste Film der Grupo Chaski, der dokumentarische Spielfilm „Gregorio“ war in Peru 1984 nicht nur ein Kinoerfolg, sondern ein nationales kulturelles Ereignis. An der Fortsetzung, dem 1988 entstandenen Spielfilm „Juliana“, beteiligte sich das ZDF-Kinderprogramm Kleine Reihen. Beide Filme wurden vielfach ausgezeichnet. Und mit „Gregorio und Juliana“ (Anda, Corre, Vuela), an dem wiederum das ZDF beteiligt war, wurde 1995 eine so ursprünglich gar nicht geplante Trilogie über Kindheit und Jugend in Peru fertig gestellt. Alle drei Filme waren auch vom Kirchlichen Entwicklungsdienst in der Produktion gefördert und vom EZEF herausgegeben worden. In Deutschland wurden sie erfolgreich durch EZEF und die kirchlichen Medienzentralen, in der Schweiz durch den Verleih ZOOM, für die kirchliche und schulische Arbeit verliehen.

Nicht nur, aber auch in Folge der innenpolitisch ausgesprochen schwierigen Situation, wie sie durch die Aktivitäten des Sendero Luminoso und den Gegenterror des Staates entstanden waren – und so auch den Hintergrund von „Gregorio und Juliana“ ausmachen – war die herkömmliche Kinoarbeit zunehmend unmöglich geworden. Doch auch als die Grupo Chaski nach dem Tod ihres Präsidenten Fernando Espinoza keine neuen Filme mehr drehte, hielt Stefan Kaspar an der Medienarbeit als Mittel der politischen wie kulturellen Emanzipation fest. Er produzierte mehrere Kurzfilme, veranstaltete kleinere Festivals in Lima und begann vor allem damit, die Erfahrungen, die die Grupo Chaski mit dem Vertrieb ihrer Filme gemacht hatte, mit den neuen digitalen Möglichkeiten weiterzuentwickeln. Mit dem Red de Microcines, einem Netzwerk von „Kleinkinos“, hatte Stefan Kaspar eine Bewegung initiiert, die Vorführungen vor allem von  peruanischen, aber auch Filmen aus anderen lateinameri-kanischen Ländern in ganz Peru ermöglichte – und das vor allem auch in abgelegenen Regionen. „Cine, Cultura y Desarrollo“ – Kino, Kultur und Entwicklung war das Motto und Prinzip dieser Basisbewegung. In einem Brief vom September d.J. hatte sich Stefan Kaspar sehr zufrieden über den Aufbau dieser Struktur geäußert. Für einen neuen Film, „La ultima noticia“, hatte er gerade die Zusage über eine Förderung durch das peruanische Kulturministerium erhalten.

Wir trauern um einen Freund, dessen Optimismus unverwüstlich schien und der ansteckend war. Stefan Kaspar, der als Mitglied von INTERFILM 2004 in Cannes der Ökumenischen Jury angehörte, verkörperte wie wenige andere den kulturellen Dialog und die kulturpolitische Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd.