Beginnen wir quantitativ: Insgesamt gab es 197 Filme aus 35 Ländern weltweit, davon 62 Filme in den vier Wettbewerbs Sektionen: Spielfilme für Kinder und Jugendliche (14), Animationsfilme, Spielfilme aus den Visegrad Ländern. 1020 Festivalgäste wurden gezählt, davon etwa 140 aus dem Ausland, sowie 102 Journalisten. Sechs Jurys bewerteten die Filme (Internationale Hauptjury, FICC Jury, Visegrad Jury, Kinder und Jugendjury, Animationsfilm Jury). 27 Sponsoren sorgten für die finanzielle Absicherung des Festivals. An die 45.000 kleine und große Besucher kamen zu den Vorführungen in Zlin und in den umliegenden Gemeinden. Der Wachstumstrend des Festivals in den letzten Jahren wurde also konsequent fortgeführt und trug erneut reiche Früchte für jedermann sichtbar überall in der Stadt.
Neue tschechische Filme
Aber Zahlen allein machen noch keinen Festivalerfolg, seien sie auch noch so beeindruckend. Schauen wir also auf die Qualität der ausgewählten Spielfilme aus dem Kinder und Jugendwettbewerb, allen voran die beiden beiden neuen tschechischen Filme.
"Mach, Sebestova a kouzelne sluchatko" (Max, Sally und das Zaubertelefon) von Altmeister Vaclav Vorlicek: Auf diesen Film war man besonders gespannt nach Vorliceks Erfolgen mit eindrucksvollen Märchenverfilmungen der letzten Jahre, zumal diesmal eine Koproduktion mit China ins Haus stand. Um es vorweg zu sagen: Die Erwartungen wurden enttäuscht. Der anfängliche exotische Touch durch einen realen Ausflug der beiden Kinder Max und Sally (bekannt aus einer in Tschechien beliebten Animationsserie) nach Peking verbrauchte sich rasch. Da half auch nicht der Trick mit dem magischen Telefon, das immer neue Slapstick Situationen hervorrief. Für die additive Dramaturgie waren die 100 Filmminuten einfach zu lang und die frühere Märchenseligkeit Vorlicekscher Provenienz wollte sich nicht einstellen. Die Preisflut des Festivals ging diesmal an dem erfolgsgewohnten Filmzauberer vorbei.
"Unos Domu" (Flucht nach Hause) von Ivan Pokorny (2002) ist eine einfühlsam erzählte Jugendgeschichte um den zwölfjährigen Libor, dessen Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Der Junge wohnt bei seinem reichen Onkel und seiner Tante. Er hat alles, was er braucht, nur keine emotionale Zuwendung. Libor wird von zwei Kidnappern entführt, um den Onkel zu erpressen, aber er entkommt in einer dramatischen Flucht und versteckt sich bei einer freundlichen Familie auf dem Land, die ihn wie ein eigenes Kind aufnimmt. Libor steht vor der Entscheidung über seinen weiteren Lebensweg. Der Film gefiel wegen seiner konsequent auf den Jungen konzentrierten Dramaturgie, die echten Gefühlen viel Raum gibt, ohne an Spannung zu verlieren. (Preis der Bonton Filmgesellschaft der Hauptjury).
Drei beeindruckende Filme
Aus dem weiteren Spielfilmangebot beeindruckten neben "Ikingut" von Gisli Snaer Erlingsson (Island 2001) vor allem zwei weitere Filme: "Bachehaye Naft" (Kinder des Öls/Children of Petroleum) von Ebrahim Forouzesh (Iran 2001) Am Anfang sieht man ein paar Jungen über Röhren laufen, das dumpfe Trommelgeräusch ihrer nackten Füße kommt immer näher. Die Jungen laufen auf Pipelines, die das armselige Dorf kreuz und quer durchziehen. In ihnen fließt rohes Erdöl in die nahe Raffinerie. An manchen Stellen haben die Röhren winzige Lecks, aus denen die schwarze Flüssigkeit tropft und am Boden klebrige Pfützen bildet. Die Dorfbewohner müssen mit dem Öl leben. Frauen kommen mit Kanistern und schöpfen die Überreste, um sie zu verkaufen. Einer der Jungen, der elfjährige Held der Geschichte, versucht seiner Familie so gut er kann zu helfen. Er ist ein Außenseiter unter seinen Altersgenossen, der das Beste aus dem trostlosen Leben zu machen sucht. Am Ende besteht er eine gefährliche Wette: Auf den hoch über einem Taleinschnitt laufenden Röhren balanciert er auf die sichere Seite. Wie alle bei uns bekannten iranischen Kinderfilme zeigt auch dieser Film Kinder in extremen Situationen, die sie am Ende aus eigener Kraft meistern. Unaufdringlich, aber mit großem Ernst, bestimmt und konsequent wird die Botschaft vermittelt: Helft euch selbst, und ihr werdet leben.
"Hardball" (Schlagball Fieber) von Brian Robbins (USA 2001). Ein arbeitsloser Angestellter (gespielt von Keanu Reeves) nimmt einen Job als Trainer eines schwarzen Jugend Basebalteams an und entwickelt ungeahnte pädagogische Fähigkeiten, die sein Team zur Meisterschaft führen. Ein solide gemachter Film mit anrührenden Gefühlsmomenten, insgesamt eher typisch amerikanisches Mainstreamkino, aber vom jungen Zliner Publikum begeistert applaudiert.
Ausserdem im Wettbewerb: "Emil und die Detektive" von Franziska Buch (Deutschland 2001) und "Klatretosen" (Kletter Ida) von Hans Fabian Wullenweber (Dänemark 2001).
Nachzutragen bleiben zwei weitere Filme in der Kinderfilmsektion: "La Magica Aventura de Oscar" (Oscars Zauberabenteuer) von Diana Sanchez (Venezuela 2001) mit wunderschönen exotischen Naturaufnahmen rund um ein Minimum an Handlung, und "The Hidden Fortress" (Die verborgene Festung) von Roger Cantin (Kanada 2000), ein recht ordentlicher, aber nicht herausragender Film um Mannschaftsspiele von Kindern im Ferienlager.
Wettbewerb Jugendfilme
Die Wettbewerbssektion Jugendfilme enthielt außer dem schon genannten tschechischen Film "Flucht nach Hause" insgesamt fünf Filme, u.a.: "Y Tu Mama Tambien" (Deine Mutter auch) von Alfonso Cuaron (Mexiko/USA 2001) über zwei 17jährige Söhne aus reichen Familien. Sie haben alles, was Burschen dieses Alters sich wünschen, nur eins haben sie nicht: Freiheit. So machen sie sich auf die Suche: On the road. In einem alten Auto fahren sie ohne Ziel los, unterwegs treffen sie eine junge Frau und erleben mit ihr rauschhafte Abenteuer. Sie wissen nicht, dass diese Frau todkrank ist und erfahren erst davon, als sie die Nachricht von ihrem Tod erreicht. Ernüchtert erwachen sie aus ihren exzessiven Träumen und spüren erstmals, dass sie erwachsen sind. Der Film ist eine Entdeckung. Er nimmt in keiner Hinsicht ein Blatt vor den Mund und die Sexszenen sind an Deutlichkeit nicht zu überbieten, aber sie sind keine Sekunde voyeuristisch oder gar pornographisch. Sie sind, was in Filmen dieses Genres selten ist: ehrlich. Die Leistungen der Darsteller fügen sich nahtlos in das dramaturgische Konzept ein, das eine fast dokumentarische Qualität erreicht.
"Weg!" von Michael Baumann (Deutschland 2001, koproduziert vom ZDF und von der HFF "Konrad Wolf" Babelsberg) erreicht eine ähnlich authentische Kraft. Auch hier spielen Drogen und Lebensüberdruss eine wichtige Rolle, auch hier handelt es sich um ein fast dokumentarisches Road Movie. Ein junger Mann aus gutem Elternhaus geht unter Drogeneinfluss auf eine Reise ohne Ziel, trifft in Tschechien eine junge Frau und will sie mitnehmen nach Deutschland. Zwar hat der Film nicht den atemlosen Sog des Plots wie der vorige, aber der Zuschauer folgt der ohne künstliche Spannung konstruierten Handlung voller Sympathie und Anteilnahme.
Fragil "Como o Mundo" (Zerbrechlich wie die Welt) von Rita Azevedo Gomes (Portugal 2001) ist ein Film der Langsamkeit und Trauer. Ein Liebespaar flieht in den Wald und will nur sich selbst leben. Die Illusion endet im Tod. Die vom Mainstream stark abweichende Machart des Films überforderte sichtlich das junge Publikum und hatte bei ihm keine Chance. Dennoch ist der Mut der Festivalleitung anzuerkennen, den Film im Wettbewerb anzubieten, sind doch eindrucksvolle Filme wie dieser sehr selten außerhalb des Produktionslandes zu sehen.