Festivalbericht von Julia Helmke


Das böse Wort mit den fünf Buchstaben wurde einige Male auf dem Eröffnungsabend genannt, für uneingeweihte Ohren zuweilen auch in etwas kryptischen Anspielungen. Es klang jedoch durch, dass das Zustandekommen der Internationalen Kurzfilmtage kurzfristig und konkret bis kurz vor Beginn durch die Finanzkrise, die auch vor Sponsoren nicht halt macht, in Frage stand, dies aber dann doch glücklicherweise abgewendet werden konnte.

Von einer Krise des Filmfestival-Formates oder gar des Kurzfilms sprach so gut wie niemand, und das war auch gut so. Denn bei den diesjährigen Kurzfilmtagen, gewohnt familiär im Kino Lichtburg, war ein eindrucksvolles und zugleich in seiner Fülle noch gut zu sichtendes Programm zusammengestellt worden. Bereits der erste Abend versprach vieles: Nach (Anti-)Krisen präsentierten die russischen Multimedia-künstlerinnen Gluklya und Tsaplya ein berührendes Split-Screen-Video zum Thema Mütter und dann die große multimediale Performance „Vater-Verwandlung“ mit dem Kinderchor der Klosterspatzen Liebfrauen. Der experimentelle Charakter dieses Stückes spiegelte sich in den 52 Kurzfilmen, die für den Internationalen Wettbewerb ausgewählt worden waren, nur bei einer Minderheit wider. In den insgesamt 10 Programmabschnitten, die es für die Ökumenische Jury zu sichten gab, fand sich eine große Vielfalt an Formen und Inhalten. Überraschend viele Wettbewerbsbeiträge waren narrativ ausgerichtet, insgesamt überwog ein dokumentarischer Blick tragend, biographisch, gesellschaftspolitisch, subjektiv und vor allem mit einer gewissen Tendenz zum längeren Film (die ganz kurzen waren selten, schade eigentlich).

Der Jury, die in diesem Jahr mit Gertrud Hohenberger, Schulpfarrerin und Natalie Resch, angehende Germanistin und Juristin/SIGNIS, beide aus Graz, mit der deutschen jungen Filmregisseurin Vanessa Weinert aus Hamburg, dem erfahrenen Medienpädagogen Eberhard Streier aus Paderborn und der Theologin Julia Helmke zusammengesetzt war, fiel am Ende die Entscheidung nicht schwer. Der Ökumenische Preis ging an den humorvollen Publikumsliebling „Elefantenhaut“ der Regisseure Ulrike Putzer und Severin Fiala aus Österreich, die Lobende Erwähnung erhielt „The Conservatory“ von Matilda Tristram. Als sehr stark und beeindruckend war bis zuletzt der Tanz-Film „Nora“ in der engeren Auswahl. „Nora“ erzählt die Geschichte der Tänzerin und Performerin Nora Chipaumire aus Zimbabwe, verbindet Biographie, Zeitgeschichte mit einer farb- und gefühlsintensiven Erzählung von (Neu-)Schöpfung und Selbstfindung, Tradition und Grenzüberwindung. Aufgefallen ist daneben die kurze formale Komposition  „Domenica 6 aprile ore 11:42“ von der italienischen Gruppe Flatform. 6 Minuten wird ein Landschaftssausschnitt gezeigt und was darin an Bewegung, an Leben geschieht. Wie der Blick gelenkt wird, wie Phantasie, Wirklichkeit und Kamerablick eine Beziehung eingehen, stellt das Werk eine einfache und eindrucksvolle Reflexion über das dar, was wir sehen, was wir sehen wollen und sollen.

Die Ökumenische Jury ist in Oberhausen seit Jahrzehnten präsent und auch von Seiten der Festivalleitung, dem Team um Festivalleiter Dr. Lars-Henrik Gass, willkommen. In diesem Jahr ist das Gespräch mit dem neuen Stadtdechanten und Superintendenten in Oberhausen wieder begonnen worden, um das Festival sowohl in der kirchlichen Öffentlichkeit, als auch die ökumenische Jury auf dem Festival selbst sichtbarer verankern zu können. Man darf gespannt sein.

Oberhausen bleibt ein überaus lohnendes Festival, bei dem sich FilmemacherInnen, ProgrammacherInnen aus dem In- und Ausland, Redakteure, Kurzfilmfreaks und das ganz normale Publikum vor Ort mischen, mit ausgezeichneten Retrospektiven, einer wachsenden Kinder- und Jugendschiene und einer bleibenden hohen Qualität im MuVi-Bereich. Allein die „Talks“ in der Festivallounge, die Film-Nachgespräche und das Festivalcafe verdienen noch mehr Aufmerksamkeit und bessere Vorbereitung.