Kommentare und Notizen zum Festival. Von Waltraud Verlaguet


Es ist Festival-Sonntag, an dem sich sich traditionsgemäß Protestanten und Katholiken treffen, die einen in der evangelischen, die andern in der ganz nahegelegenen katholischen Kirche gleich neben dem Festivalpalast. Und danach zum gemeinsamen Aperitif auf der Straße zwischen den beiden Kirchen, Gelegenheit zum Austausch, die man sonst während des Festivals kaum hat, da jeder in die Filme rennt, für die er eine Karte bekommen konnte. Der Präsident der Fédération Protestante de France war zu dieser Gelegenheit gekommen und hielt eine Predigt über den „Anfang“, den der Schöpfung und den der Neuschöpfung in Christus.

Le temps d'aimer (Cannes Premiere)

Nachmittags wurde außer Konkurrenz Le temps d’aimer von Katell Quillévéré gezeigt, ein Kaleidoskop verschiedener Liebesgeschichten zwischen Ende des 2. Weltkriegs und den Sechzigern. Eine junge Frau wird geschoren, weil sie ein Kind von einem deutschen Offizier geboren hat. Sie weiß nicht, was aus dem Offizier geworden ist. Sie kann das Kind nicht liebgewinnen. Was kann das Kind dafür?  Später heiratet sie einen sensiblen jungen Mann, der aber uneingestanden bisexuell ist, was unausweichlich zur Katastrophe führt. Wann ist es Zeit, zu lieben? Liebe fällt hin, wo sie will. Die Natur entscheidet, ob sie fruchtbar ist, die Gesellschaft, ob sie erlaubt ist.

If Only I Could Hibernate (Un Certain Regard)

In der Sektion Un Certain Regard war de erste Film von Zoljargal Purevdash aus der Mongolei sehen, If only I could hibernate. Es geht um Ulzii, einen Jungen aus einer Familie vom Land. Er ist sehr gut in Physik und träumt davon, in eine gute Schule zu kommen. Aber die Familie ist infolge widriger Umstände verarmt, der Vater ist tot. Die Mutter hat Mühe, ihre Kinder zu ernähren. Der Schnee ist weiß und kalt, die Familie hat nur ausnahmsweise die Mittel, einen Sack Kohle zu kaufen. So sitzen alle vermummt in ihrer Jurte. Arbeiten, um die Familie zu unterstützen, gegebenenfalls illegal, versus Lernen, dies ist das Dilemma. Es gehört zum Charme junger Filmemacher(innen) aus Ländern, die weitab vom Mainstreamkino Filme drehen, dass sie noch Hoffnung haben auf eine bessere Welt. Ulzii lächelt am Ende des Films: er hat die Aufnahmeprüfung geschafft.

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Festivals

"Perfect Days" von Wim Wenders hat den Preis der Ökumenischen Jury in Cannes gewonnen. Die Goldene Palme ging an "Anatomie d'une chute" (Anatomie eines Falls) von Justine Triet.