Nachruf auf Hans Werner Dannowski (1933-2016)


Am 28. November 2016 starb Hans Werner Dannowski, Stadtsuperintendent em. von Hannover, im Alter von 83 Jahren. Er war Filmbeauftragter des Rates der EKD 1985-1992, Präsident von INTERFILM 1988-2004 und ab 2004 Ehrenpräsident von INTERFILM. Die jetzige Präsidentin von INTERFILM, Julia Helmke, porträtiert den Verstorbenen.

Geboren in Petershagen bei Berlin als Kind ostpreussischer Eltern wächst Hans Werner Dannowski in Königsberg auf und flieht im Winter 1945 mit seinen Eltern nach Niedersachsen. Nach kurzem Intermezzo als Postinspektoranwärter hört er Bischof Hanns Lilje bei der Abschlusspredigt des Hamburger Kirchentages 1953 und entscheidet sich, Theologie zu studieren. Die Frage nach der Predigt wird sein erster Schwerpunkt. Immer geht es ihm um die Kommunikation und die Reflexion darüber, wer spricht, wie wird gesprochen und zu wem und aus welchem Anlass. Nach Stationen als Pastor in Göttingen und Studiendirektor am Predigerseminar Imbshausen lebt er seit 1980 in Hannover, als Stadtsuperintendent und Pastor an der Marktkirche.

Die lokale Vernetzung und eine bewusste stabilitas loci geben Energie für vielfältige, auch publizistische Aktivitäten. 1981 gründet er mit anderen den Arbeitskreis für Kirche in Großstädten, die sog. City-Kirchen-Konferenz, und ist Mitherausgeber der Reihe „Kirche in der Stadt“. 1985 wird er zum Filmbeauftragten der EKD gewählt. Ein langes Interview in epd-Film bildet den Auftakt für sein eigenes publizistisches Engagement. So wird er einer der Stammautoren der Filmzeitschrift, der regelmäßig sowohl einzelne Filmkritiken schreibt als auch das theologische Profil evangelischer Filmarbeit und Filmpublizistik schärft.

Von Beginn an ist ihm die „handwerkliche“ Seite wichtig, die auch biographisch begründet ist: Er hat sich sein Studium in Hamburg in Teilen als Film-Komparse verdient Fulminant lässt er bereits 1985 die bisherigen, z.T. recht dogmatischen, Auseinandersetzungen in der evangelischen Filmarbeit, den Streit um „direkte-indirekte Verkündigung“, um die Geltung und ‚Wirksamkeit’ von Bibelfilmen Revue passieren und verbindet sie mit einem Plädoyer für die bisher unerhörte Öffnung von Theologie hin zum lange geschmähten Unterhaltungsfilm: „Diese reine Abwehr denke ich, können wir uns gar nicht leisten. Das wäre ein ganzes Stück unbarmherzig, weil wir ja ständig mit Bildwelten leben. Jeder von uns verarbeitet seinen Glauben auf eine ganz bildhafte Weise (...) Ich erlebe hier den Aufbruch von etwas Neuem. Das sind auch sehr starke positive Elemente drin.“

Zugleich verbindet er das Nachdenken über theologische Zugänge zum Film mit sozial- und geisteswissenschaftlichen Anknüpfungspunkten. Neben der Bibel sind es Pier Paolo Pasolini, Siegfried Kracauer oder Gottfried Benn, die er in das Gespräch mit dem jeweiligen Film miteinbezieht, das er stets als dialogisch versteht. „Mir hat sich eine Fülle von Bezügen aufgetan in einer Breite, die ich so vorher nicht geahnt habe und eine theologische Befruchtung vielfacher Art ist in diesen sechs Jahren eingetreten...“. So schreibt er staunend am Ende seiner sechsjährigen Amtszeit als Filmbeauftragter, um kritisch anzumerken: „Das Problem ist sicher die Frage des Vorzeigbaren. (...) Bei Funk und Fernsehen kann man sagen, die Sendung ist von uns gemacht, so und so viele Millionen sehen das. Die Filmarbeit dagegen ist ein Dialog mit offenem Ergebnis.“ Dazwischen liegen gerade auch in epd Film und an anderen Stellen veröffentlichte unzählige Filmgespräche mit Regisseurinnen und Regisseuren oder ein öffentlicher Dialog mit einem Filmkritiker wie Rainer Gansera, der mit ihm kontrovers über zukünftige Herausforderungen der evangelischen Filmarbeit diskutiert.

Dannowski antwortet selbstkritisch „Vielleicht ist das in der Tat das eigentliche Manko bisheriger Filmarbeit gewesen, dass Kirche vor allem dort auf den Film reagiert hat, wo sie inhaltlich, motivisch in Glaubensfragen (und der ganze Bereich des Menschen- und Gesellschaftsbildes sei hier eingeschlossen) betroffen war. Die Eigenständigkeit der Kunstform ‚Film‘ aber wird auch nach meiner Meinung erst dort akzeptiert, wo auch die ästhetischen Kategorien in eine theologische Auseinandersetzung hineingenommen werden. Und da Sie Andre Bazin zitieren: ich fand in seinen ‚Filmkritiken als Filmgeschichte‘ (1981) einen erstaunlichen Satz. ‚Von allen Künsten ist das Kino diejenige, an welcher ihrem Wesen nach Gott am meisten teilhat‘. Gesprochen hat er ihn im Blick auf den künstlerischen Schöpfungsprozess, der nicht als Kausalzusammenhang zu definieren, sondern in seiner Transparenz und Unvorhersehbarkeit, – eben als Schöpfung – zu verstehen ist. Ein schönes Beispiel dafür, wie kurz der Schritt von dem Bedenken der ästhetischen Fragestellungen in die theologischen hinein sein kann. Ich möchte mit Ihnen und vielen anderen auf diesem Weg weitergehen: offensiv, manchmal hoffentlich unverschämt und mit der Bitte um ständige kritische Begleitung.“


Diese Begleitung gewährt Dannowski kontinuierlich den ab 2000 erscheinenden filmtheologischen Publikationen, rezensiert für epd-Film Standardwerke wie die Dissertationen von Inge Kirsner oder Jörg Herrmann.Weite Beachtung finden in dieser Zeit die Predigten, die er jeweils am ersten „Berlinale- Sonntag“ in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, später in der St. Matthäus-Kircheanlässlich des Europäischen Templeton-Filmpreises hält. Sie werden stilprägend in ihrer Konstellation von Bibeltext, Filmerzählung und filmisch-theologischer Interpretation, ähnlich und noch weitergehend den Predigten in der Gottesdienstform KunstGottesdienst, die Dannowski dreißig Jahre lang zweimal jährlich im Sprengelmuseum Hannover gemeinsam mit der dortigen Kunsthistorikerin und Kunstvermittlerin hält. Drei Bücher sind dazu veröffentlicht worden, ein geschlossenes homiletisches Modell hat sich bei ihm daraus nicht entwickelt, immer will er sich neu auf den Bibeltext und das Kunstwerk einlassen und beides miteinander ‚versprechen’, ohne gegenseitige Instrumentalisierung oder Illustrierung. Das einzige Rezept, das er gibt: Sorgsame Vorbereitung und fast journalistische Recherche, über Wochen. Die Sorgsamkeit, der Blick für das Detail, für das, was vor Augen liegt und dennoch ein ungehobener Schatz ist, weitet und verlagert sich nach seinem offiziellen Ruhestand ab 1998.

Eine seiner Stärken liegt darin, Entwicklungen zusammenzufassen und modellhaft Orientierung zu geben. So konzentriert er das Verhältnis von Film und Theologie auf die drei Aspekte: Trennungsmodell, Identifikationsmodell und Brückenmodell, die zu dem Schluss führen: Die biblische Botschaft verliert ihre Kraft der Visionen, wenn sie nicht in Geschichten der Gegenwart sich verstrickt.“

Sein Nach-Nachfolger als Filmbeauftragter der EKD und langjähriger Vorsitzender der Jury der Evangelischen Filmarbeit, Werner Schneider-Quindeau, hat dies in seiner Laudatio zur Verleihung der INTERFILM-Ehrenpräsidentschaft 2003 so beschrieben: „In ökumenischer Weite und theologischer Tiefe, mit ungebrochener Neugier und begeisternder Entdeckerfreue hat er sich auf den Weg ins Kino begeben, weil er dort ungewöhnliche Übersetzungen und provozierende Anregungen für die Predigt des Evangeliums zu finden hoffte und auch stets gefunden hat. (...) Seine pastorale Identität wusste, dass im Kino die Träume und Alpträume, das Leiden und das Lachen, die Abgründe und die Sehnsucht und Hoffnung der Menschen aufmerksamer, genauer und vor allem in Gefühl und Affekt bewegender wahrzunehmen sind als in den Worthülsen und Leerformeln der binnenkirchlichen Sprache.“

 

 

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