Der verlorene Sohn
Irgendwo auf der Anhöhe einer unberührt wirkenden Berglandschaft in Serbien. Idyllisch flattert im Fenster ein gestickter weisser Vorhang. Vereinzelt machen sich Bauern auf den verfallenden Höfen zu schaffen. Wovon leben sie? Im Bus nähert sich zusammen mit älteren Bewohnern der 28-jährige Janko. Er hat einige Jahre für wenig Geld in Belgrad gearbeitet. Seine Mutter empfängt ihn mit stürmischen Umarmungen und hofft, dass der Sohn zurückgekehrt ist, um zu bleiben. Doch Janko hat andere Pläne. Das tragische Schicksal einiger Nachbarn kümmert ihn wenig. Er sieht hier keine Zukunft und will das vom Vater geerbte Land verkaufen. Er geht sogar so weit, dessen sterbliche Überreste in ein Grab umzubetten, damit sie den neuen Besitzer des verkauften Landes nicht stören.
In den 1990er-Jahren verliessen an die 300'000 Menschen Serbien. «Withering», auf Serbisch «Odumiranje», kann sowohl «verdorrend», «verwelkend», als auch «vernichtend» bedeuten, je nachdem, wie man die Geschichte versteht. Miloš Pušić hat seinen zweiten berührenden Spielfilm über Emanzipation, Landflucht und Generationenkonflikt nach einem Theaterstück verfilmt, dessen Autor Dušan Spasojević das Drehbuch zum Film verfasst hat. Janko verlässt die enttäuscht klagende Mutter ohne Umarmung. Wenn man ihn am Ende durch den Bahnhof Zürich gehen sieht, fragt man sich, ob er weiss, was er zurückgelassen hat und was ihm die Zukunft bringt.
© reformierte presse/Hans Hodel