Mit seinen verwegen blauen Haaren, den niedlichen abstehenden Ohren und seiner charmanten Schüchternheit gewinnt Courgette schnell die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Erstmals eröffnete ein Animationsfilm das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. In „My Life as a Courgette“ erzählt Claude Barras mit Hilfe seiner liebevoll gestalteten Figuren mit überdimensionalen Köpfen auf zierlichen Körpern eine Geschichte von Verlust und Ausgrenzung, aber auch vom Ankommen und Angenommensein.
Sachsens Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Dr. Eva-Maria Stange, sah bei der Eröffnung im Leipziger Cinestar drei große Themen bei der Filmauswahl – Interreligiosität, den Animationsfilm sowie die Stellung und Präsenz der Frauen in der Filmbranche. Sie begrüßte sehr, dass erstmals eine Interreligiöse Jury an die Stelle der Ökumenischen Jury trete. „Dadurch, dass Sie den zwei christlichen Jurymitgliedern ein jüdisches und ein muslimisches Jurymitglied zur Seite stellen, demonstrieren Sie Zusammenhalt und Aufgeschlossenheit und treten Versuchen, nicht-christliche Religionen auszugrenzen, eindrucksvoll entgegen", sagte Stange. Leipzigs Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur, Dr. Skadi Jennicke, sowie Festivalleiterin Leena Pasanen betonten in ihren Ansprachen ebenfalls die Bedeutung einer interreligiösen Jury. Die Neuerung entspreche dem Geist des Festivals, das jährlich Menschen verschiedenster Herkunft und Religionen anzieht.
Auch der Stadtökumenekreis Leipzig würdigte die erste Interreligiöse Jury, die gar die erste ihrer Art bei einem Festival in Deutschland ist, mit einem Empfang in der neuen Propsteikirche Leipzig während des Festivals. Hier dankte Leena Pasanen noch einmal INTERFILM und SIGNIS für ihre Bereitschaft, die Jury zu öffnen. Die Interreligiöse Jury sei ihr eine Herzensangelegenheit.
Das Festival selbst stand unter dem Motto „Ungehorsam“. Es sollte der Ungehorsam in all seinen Formen gefeiert werden: Von mutigen Künstlerinnen und Künstlern, die Regeln brechen, um bessere Filme zu machen, bis zu couragierten Zivilistinnen und Zivilisten, die Normen infrage stellen, um eine bessere Zukunft zu schaffen. Über 300 Filme liefen an verschiedenen Veranstaltungsorten während der Festivalwoche.
Zwölf Filme aus dem Internationalen Wettbewerb langer Dokumentar- und Animationsfilm standen für die Interreligiöse Jury zur Wahl. Keine leichte Aufgabe, denn der Wettbewerb zeichnete sich durchweg durch seine hohe Qualität aus. Ob Reflektion über den Zustand einer Gesellschaft, sympathisches Porträt autistischer Jugendlicher oder sehr persönliche Dokumentation der Eskalation des Syrienkrieges – die Themen waren vielfältig. Bemerkenswert auch der sensible wie zärtliche Film „A Young Girl in Her Nineties“ von Yann Coridian und Valeria Bruni Tedeschi über Alzheimer-Patientinnen und –Patienten in einem Pflegeheim. Mit Hilfe von Musik, Berührung, Bewegung und Zuwendung schafft Choreograf Thierry eine Form der Kommunikation auf Augenhöhe mit den Menschen, die ergreifend zu beobachten ist. Sitzt zu Beginn des Films eine zierliche, teilnahmslose Frau an einem Tisch, steht am Ende Blanche Moreau im Raum, die sich wieder an ihren Namen erinnert.
Die Interreligiöse Jury zeichnete schließlich „Cahier Africain“ von Heidi Specogna aus. Der Film „erzählt von den grausamen Kämpfen zwischen verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen in der Zentral Afrikanischen Republik. Die Schweizer Filmemacherin stellt dabei das Schicksal von Arlette, einem jungen verwundeten christlichen Mädchen, und das Schicksal der Muslima Amzine, die Opfer einer Vergewaltigung geworden ist, mit ihrer danach geborenen Tochter in den Mittelpunkt. Trotz dieser hoffnungslosen Situation findet Amzine brüchige Sicherheit als Flüchtling im Tschad. Die Interreligiöse Jury gratuliert Heidi Specogna zu ihrem sensiblen Umgang mit ihren Protagonistinnen. Ihr ist ein poetischer Film gelungen, der uns mit diesen Frauen auch Hoffnung für die Zukunft gibt“, so die Begründung der Jury. Bei der Preisvergabe betonte Jurymitglied Annet Betsalel zusätzlich den Wunsch der Jury, das Engagement der Filmemacherin zu würdigen. Sich selbst Gefahren auszusetzen, um eine Geschichte zu erzählen, erfordere Mut. Sichtlich bewegt nahm Heidi Specogna den mit 2.500 Euro dotierten Preis entgegen. Sie freue sich, dass sie ihre Botschaft der Hoffnung mit ihrem Film vermitteln konnte. Auch die Silberne Taube für den besten Film zum Thema Demokratie und Menschenrechte ging an die Schweizer Filmemacherin.
Den Hauptpreis des Festivals, die goldene Taube, erhielt der Filmemacher Sergei Loznitsa für seinen Film „Austerlitz“. Die Jugendjury wählte den polnischen Film „Communion“ von Anna Zamecka für den Young Eyes Film Award aus. Die FIPRESCI-Jury vergab ihre Auszeichnung an „A Young Girl in Her Nineties“ von Yann Coridian und Valeria Bruni Tedeschi.