Geschichten und Zeichen der Hoffnung im Kino

Filmseminar in Iasi (Rumänien) vom 2.-5. Oktober 2003

Metropolit Daniel Ciobotea, seit 1990 Erzbischof von Iasi und Metropolit von Moldawien und der Bukowina, eröffnete im Beisein des Römisch-katholischen Bischofs von Iasi, Petru Gherghel, persönlich mit einem kurzen Referat das Filmseminar, das die Internationale Kirchliche Filmorganisation INTERFILM in seinem Auftrag und in Zusammenarbeit mit seinem Presseinstitut "Trinitas", mit WACC (World Association for Communication), SIGNIS (World Catholic Organisation for Communication) und der Templeton Foundation geplant hat. Unter dem Rahmenthema "Geschichten und Zeichen der Hoffnung im Kino" fand das Seminar im Oekumenischen Institut "St.Nicholas" und einem offiziellen Versammlungssaal des Metropoliten vom 2.-5.Oktober 2003 statt.

Vorausgegangen sind Seminare, die Interfilm unter dem Motto "Europa eine Seele geben" in den letzten Jahren in Bad Segeberg (Deutschland), Nimes (Frankreich), Riga (Lettland), Örebro (Schweden) und Sofia (Bulgarien) durchgeführt hat, und bemerkenswerterweise hat ein zu Metropolit Daniel gelangter Bericht über das in Sofia zum Thema "Images of different faiths in Eastern Europe in cinema and television" durchgeführte Seminar zur Planung der Veranstaltung in Iasi geführt. Zu den Teilnehmern gehörten neben den Regisseuren der programmierten Filme u.a. auch namhafte Experten wie Dr.Gianna Urizio (Rom) als Präsidentin von WACC Europa, der Australier Peter Malone als Präsident von SIGNIS, Karsten Visarius (Frankfurt a/M), Fachreferent Film und AV-Medien im Gemeinschaftswerk für Evang.Publizistik (GEP) als neuer Geschäftsführer von INTERFILM und der in Berlin lebende amerikanische Filmpublizist Dr.Ron Holloway, der seinerzeit mit seiner vom Oek.Rat der Kirchen 1977 herausgegebenen Publikation "Beyond The Image. Approaches To The Religious Dimension In The Cinema" ein Standardwerk zum Dialog "Theologie und Film" geschaffen hat.

Metropolit Daniel streifte in seinem Eröffnungsreferat zentrale Aspekte des Films, die für die kirchliche Filmarbeit von Interesse sind. Er erwähnte selbstredend bedeutende Jesusfilme, Filme über das Leben von Märtyrern und christliche Familien, die als Botschaft für junge Menschen wichtig und im Rahmen der kirchlichen Erziehungs- und Bildungsarbeit hilfreich sind. Er verwies darüber hinaus auf die spirituellen Dimensionen im Kino, die es im Licht des Evangeliums zu entdecken, wahrzunehmen und zu würdigen gilt, und er unterstrich als Beurteilungskriterien die Bedeutung der Zeichen von Gottes liebender und versöhnender Zuwendung zu den Menschen sowie den Respekt gegenüber der Würde des Menschen und insbesondere dem Nächsten.

"Chico", von Ibolya Fekete, Ungarn 2001


Die Präsentation und Auseinandersetzung mit dem ungarischen Film "Chico" von Ibolya Fekete, der 2001 am Internationalen Filmfestival von Karlovy Vary u.a. mit dem Preis der Oekumenischen Jury und dann auch mit dem Europäischen Templeton Filmpreis 2001 ausgezeichnet worden ist, stand am Anfang des noch ungewohnten Dialogs. Der Film vermischt zeithistorisches Dokumentarmaterial mit der Geschichte eines in Lateinamerika geborenen Mannes auf der Suche nach seiner Identität und dem Sinn seines Lebens. Halb Spanier und halb Ungare, halb Katholik und halb Jude, durchläuft er in einer Welt einander sich ablösender Ideologien einen widersprüchlich erscheinenden Weg von kommunistischer Begeisterung, die ihm sein Vater vererbt hat, zum Kampf auf kroatischer Seite in den Balkankriegen der neunziger Jahre. Revolutionär, Geheimagent, Journalist und Kriegsberichterstatter, schliesslich aber auch Soldat, ringt Ricardo ("Chico"), der Protagonist und Held des Films, der seinen Ueberzeugungen treu zu bleiben versucht, ständig mit Macht und Autorität.

Der komplexe und dennoch unterhaltsame, aber auch von Kriegssituationen geprägte Film zeichnet die politische Ironie der letzten dreissig Jahre nach, den Zerfall des Kommunismus und den Aufstieg des Nationalismus. Beiläufig durchziehen religiöse Themen den ganzen Film, bis hin zu einem Gebet Ricardos an der Klagemauer in Jerusalem und einem Beichtgespräch in einer katholischen Kirche. Am Ende des Films lenkt die Kamera in einer zerstörten Kirche den Blick von einem Altarbild weg auf den zerstört und hoffnungslos wirkenden "Chico" und provoziert damit die Diskussion über die Frage nach Geschichten und Zeichen der Hoffnung für die Situation in der Balkanregion und anderen Krisen- und Konfliktsituationen in dieser Welt.

"Brot über den Zaun", von Stephan Komandarev, Bulgarien 2002


Der Berliner Filmhistoriker Dr. Hans Joachim Schlegel, der sich in einem aufschlussreichen Referat anhand von Beispielen aus osteuropäischen Filmen unter dem Titel "Hoffnungen auf Bruderschaft" mit der ideologischen Instrumentalisierung von Bildern des Glaubens und religiösen Utopien beschäftigte, hat das Verdienst, die Teilnahme des jungen bulgarischen Dokumentarfilmschaffenden Stephan Komandarev angeregt zu haben, der mit seinem mehrfach preisgekrönten Film "Brot über den Zaun" einen tiefen Eindruck hinterlassen hat.

Darin erzählt er von zwei kleinen Dörfern tief in der bulgarischen Provinz, und er lässt dabei zahlreiche Bewohner zu Wort kommen. Badarski Geran zählt 1200 Einwohner und liegt im Nordwesten des Landes. Pokrovan ist im Südosten, nahe der bulgarisch-griechischen Grenze gelegen und hat 400 Einwohner. Doch trotz der grossen geographischen Entfernung gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Orten: die Armut der Bevölkerung, die hohe Arbeitslosigkeit und die gleichgültige Haltung der Landesbehörden angesichts der sozialen Missstände. Sowohl in Badarski Geran als auch in Pokrovan ist die Mehrzahl der Einwohner katholisch – im vorwiegend orthodoxen Bulgarien eine Seltenheit. In beiden Dörfern gab es in der Vergangenheit schwere, teils blutige Konflikte zwischen Katholiken, orthodoxen Christen und Muslimen, die in Pokrovan die zweitgrösste Bevölkerungsgruppe bilden. Heute sind die religiösen Spannungen einer Atmosphäre allgemeiner Toleranz gewichen. Man lebt friedlich nebeneinander, ist befreundet und in einzelnen Fällen sogar verheiratet. Die Dorfbewohner erzählen von der harten Realität und den kleinen Momenten des Glücks in einem dörflichen Mikrokosmos, der vom Rest der Welt wie vergessen scheint, verdientermassen aber filmisch dokumentiert ist und vom bulgarischen Fernsehen demnächst zugänglich gemacht wird.

"Gesegnet seist du, Gefängnis", von Nicolae Mârgineanu, Rumänien 2003


Der von der Oekumenischen Jury am Internat. Filmfestival Montréal 2003 mit einer lobenden Erwähnung ausgezeichnete Film konnte als rumänischer Beitrag kurzfristig ins Programm aufgenommen und am Samstagmorgen im Rahmen einer öffentlichen Gratis-Vorführung im Kino "Republica" vorgeführt werden. Der Film basiert auf den Memoiren von Nicolae Valéry-Grossu, die 1949 als Mitglied der demokratischen Partei verhaftet worden ist und in der Folge fünf Jahre im Gefängnis und einem Arbeitslager zugebracht hat. Er bezeugt eindrucksvoll, wie sie in einer schmerzhaften und hoffnungslosen Situation vom Glauben überwältigt wird. Ihre Kraft sowohl im Gefängnis wie im Arbeitslager, die menschliche Würde zu bewahren und solidarisch zu leben, stiftet Hoffnung, Mitleid und den Sinn für Gemeinschaft. Während die filmische Umsetzung der Geschichte für westliche Betrachter stark an bekannte und zum Teil wenig überzeugende Filme über die Konzentrationslager aus der Nazizeit erinnerte, löste er vor allem bei den jüngeren rumänischen Zuschauern als Beitrag zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit eine starke Betroffenheit aus.

Filme für Kinder und Jugendliche

Ausgangspunkt des Seminars war u.a. die Feststellung, dass das rumänische Kino und Fernsehen durch die amerikanische Filmproduktion und entsprechende Gewaltdarstellungen dominiert ist. Die Frage nach dem Jugendschutz, den Möglichkeiten der Förderung der Produktion von Kinder- und Familienfilmen und des rumänischen Filmschaffens insgesamt, dessen staatliche Unterstützung seit der Revolution von 1989 stark zu wünschen übrig lässt, zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen des Seminars.

An einem eigens im Rahmen des Seminars organisierten Kinderfilmnachmittag in einem Vorstadtkino stellte die renommierte Kinderfilmproduzentin und Direktorin der Bukarester Filmakademie Elisabeta Bostan zwei ihrer älteren Filme vor. Vor allem der 1988 produzierte und erst 1989 lancierte Film "Champion" hinterliess den Eindruck eines zweifelhaften propogandistischen Werkes und machte die Bedeutung eines qualifizierten Programms für Kinder und Jugendliche deutlich.

Ausblick


Im abschliessenden Auswertungsgespräch zeigte sich, dass das Seminar bei den lokalen kirchlichen Partnern das Problembewusstsein für offene Fragen schärfen konnte und diese Anregungen für weitere Initiativen erhalten haben. Zur Diskussion steht die Vorstellung von weiteren Kinderfilminitiativen und die Durchführung eines Festivals mit religiös relevanten Filmen. Aber auch die Möglichkeit der Beteiligung einer aus drei Mitgliedern bestehenden Oekumenischen Jury am Transilvanischen Internationalen Filmfestival in Cluj (Rumänien) wurde angesprochen, obwohl die Beurteilungskriterien für eine Zusammenarbeit in einer Oekumenischen Jury nach wie vor nicht ausdiskutiert sind. INTERFILM plant deshalb zusammen mit WACC die vertiefende Weiterführung des theologischen Dialogs über das Verständnis der Orthodoxen Ikonographie im Kontext der zeitgenössischen Filmkultur im Rahmen eines Seminars, das vom 20.-24.Oktober 2004 auf Kreta stattfinden soll.