Eindrücke vom 30. Filmfestival Max Ophüls Preis Saarbrücken 2009 von Harald Koberg (Graz), Mitglied der INTERFILM-Jury

1966 erhielt Volker Schlöndorff den ersten Max Ophüls Preis. Thomas Woschitz war damals noch nicht geboren. Das wäre nicht weiter von Bedeutung, hätte nicht Woschitz 2009, pünktlich zur dreißigsten Auflage des Filmfestivals Max Ophüls Preis, die gleiche Auszeichnung entgegennehmen dürfen. Jubiläumszeit also, in Saarbrücken; auch wenn die Schulmathematik den Griff zum Korrekturstift empfiehlt: Schlöndorff erhielt seinen Preis im französischen Nantes, das erste deutsche Ophüls-Festival startete jedoch 1980 in Saarbrücken. Seither feiert man hier alljährlich den jungen deutschsprachigen Film, entdeckt junge Talente und mischt sich unter Filmemacher und Darsteller aller Generationen. Ein stetig expandierendes und doch familiär gebliebenes Festival feierte also Geburtstag und entwächst, trotz aller Jugendlichkeit, den Kinderschuhen. Ganz so, wie es bereits diversen Kinos entwachsen ist, um immer größere Säle zu füllen.

INTERFILM-Jury seit 1985

Zum 30. Geburtstags-Jubiläum hat das Filmfestival eine sorgfältig gestaltete kleine Festschrift herausgegeben, dessen Text- und Bildredaktion vom Saarbrückner INTERFILM-Mitglied Marisa Villareale betreut wurde. Darin ist festgehalten, dass sich 1985 neben der Hauptjury zum ersten Mal eine zweite Jury in Saarbrücken eingerichtet hat, „die der Evangelischen Kirche nahestehende INTERFILM-Jury“. Zu ergänzen ist, dass die Einrichtung dieser Jury der Initiative von Ron Holloway und seinem Kontakt zum damaligen Festivalleiter Albrecht Stuby zu verdanken ist.

Seit einigen Jahren erfolgt die Einrichtung der INTERFILM-Jury in enger Zusammenarbeit mit dem Förderverein „Projekt Johanneskirche e.V.“, der im Rahmen des Festivals in der Johanneskirche traditionsgemäss einen Empfang organisiert und bereits zum zweiten Mal auch das Preisgeld von € 2‘000 gestiftet hat.

Ein abwechslungsreicher Wettbewerb

Die Wettbewerbsfilme präsentierten sich zu diesem Anlass höchst abwechslungsreich. Vom klassischen Erzählkino, Auflösung in allgemeiner Zufriedenheit eingeschlossen, bis hin zu experimentell assoziativen Handlungsfragmenten eröffnete sich vor dem Publikum eine große Bandbreite cineastischer Möglichkeiten. Themen variierten im Programm ebenso wie visuelle Konzepte; aufgefallen ist vor allem die Abwesenheit bestimmter Inhalte. So waren es 2009 die dem Alltag entnommenen, zwischenmenschlichen Spannungen, die die jungen Regisseuerinnen und Regisseuere auf die Leinwand brachten: Vater-Sohn Konflikte, schüchterne Liebesgeschichten, Unfalltragödien oder der wirre Studentenalltag - konkret Politisches war nur einmal auf der Leinwand zu sehen. Mit Erfolg.

Der INTERFILM-Preisträger

Zur Zeit des ersten Saarbrückner Ophüls-Festivals war INTERFILM-Preisträger Arash Riahi noch keine zehn Jahre alt und die Flucht aus dem Iran stand recht unmittelbar bevor. Knappe drei Jahrzehnte später beendete er seine Arbeit an „Ein Augenblick Freiheit“, einem Film, der Geschichten wie die seine in Teilen wiedergibt.

Neun Menschen auf der Flucht begegnen in Ankara nicht nur Gleichgesinnten, sondern auch der Realität europäischer Asylpolitik. Ihre Reise in die vermeintliche Freiheit gerät ins Stocken und die türkische Stadt wird zum Wartezimmer vor den Toren des reichen Westens. Arash Riahi versteht es, exemplarische Geschichten mit Gesichtern in Verbindung zu setzen und seine Zuschauerinnen und Zuschauer emotional zu berühren, ohne die zentralen Aspekte seines Themas aus den Augen zu verlieren. Mit Fingerspitzengefühl wechselt er zwischen Tragik und Humor und zeigt die Asylsuchenden in ihrer menschlichen Vielfalt. Neben dem INTERFILM-Preis wurde er für diese Leistung auch mit dem Preis des Saarländischen Ministerpräsidenten ausgezeichnet.

Der Max-Ophüls-Preisträger 2009

Dass Wolfgang Woschitz der Gewinner des Jubiläumsfestivals sein würde, kam für viele überraschend. Sein Film „Universalove“ scheint die Grenzen zwischen Musikvideo und Kinofilm überwinden zu wollen und erzählt sechs Liebesgeschichten,  jede an ihrem Ort, quer über den Globus verteilt. Untermalt werden die Kurzgeschichten von der österreichischen Band Naked Lunch, die ihre Musik parallel zur Entstehung des Drehbuches entwickelte, um die Arbeit so zu einem Wechselspiel von Film und Musik werden zu lassen. Jede Textzeile findet ihre Bilder und die Bilder schwingen in den Melodien mit. Ein Musikfilm also, der immer wieder auch im Kinosaal life von Naked Lunch begleitet wird.

Spätestens zum Dreißiger steht das Filmfestival Max Ophüls Preis vor der Herausforderung, Tradition mit der Suche nach Ungewohntem und Neuem in Einklang zu bringen. Die ersten Preisträgerinnen und Preisträger zählen schon lange nicht mehr zum Nachwuchs und die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt erzählen von vergangenen Festivals wie von alljährlichen Volksfesten. Der Max Ophüls Preis ist ein Stück liebgewonnene Tradition der Stadt geworden und doch fehlt es dem neuen Organisationsduo Gabriella Bandel und Philipp Bräuer nicht an Mut, mit gezeigten Filmen anzuecken und wach zu rütteln. Ein Balanceakt womöglich, ein Abenteuer, aber genau das muss Kino sein, wenn es mehr leisten will, als bloß zu unterhalten.

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