Vor einer Woche gingen die 56. Filmfestspiele Berlin zu Ende. Die Tagespresse gab sich – wie immer – von der Vergabe der Preise überrascht. In der Tat erstaunt, dass der heimliche Favorit unter Kritikerinnen und Cineasten, die leise Tragödie „Sehnsucht“ von Valeska Grisebach, leer ausging. Es war einer derjenigen Filme, die im Privaten angesiedelt sind: Ein glücklich verheirateter Mann verliebt sich in eine andere und wird in seinem bislang wohl geordneten Leben verunsichert. Die Fragilität von Glück und die Frage nach Beziehungs(un)fähigkeit standen nicht nur in diesem Wettbewerbsbeitrag im Zentrum. So befasste sich der wohl irritierendste Film, „Der freie Wille“ von Matthias Glasner, mit dem Leben eines Triebtäters.
Daneben war die Handlung vieler Filme in einem explizit politischen Bezugsrahmen verortet, allen voran bei dem streitbaren Beitrag „The Road to Guantanamo“ von Michael Winterbottom und Mat Whitecross. In einer Mischung aus Interviews mit Betroffenen und nachgestellten Szenen wird das Publikum mit menschenverachtenden Zuständen und Folterungen im US-Gefangenenlager auf Kuba konfrontiert. Der Film hat nicht nur auf der Berlinale heftige Diskussionen ausgelöst, sondern auch Echo in der UN-Debatte über die geforderte Schliessung von Guantanamo gefunden. Ob der Silberne Bär für die beste Regie angemessen ist, bleibt jedoch anzuzweifeln.
Das Ineinander von Politischem und Privaten fokussiert der Film „Grbavica“ von Jasmila Žbanic, der zugleich Pubertätsdrama und Studie einer labilen Nachkriegsgesellschaft ist: Eine allein erziehende Mutter im heutigen Sarajevo muss ihrer 12jährigen Tochter mitteilen, dass sie während des Krieges in einem serbischen Vergewaltigungslager gezeugt wurde. Bis in die Nebenfiguren hinein wird spürbar, wie das Private unausweichlich politisch ist, wenn einmal das Politische die private Integrität anhaltend beschädigt hat. Die Leistung der jungen bosnischen Regisseurin und ihres Teams wurde nicht nur mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet, sondern auch mit dem Goldenen Bären bedacht. Der Film ist bereits in seiner Entstehung an Versöhnungsarbeit auf dem Balkan interessiert und hat neben bosnischen auch serbische Künstlerinnen und Künstler eingebunden.
Auch in den beiden Sektionen „Panorama“ und „Forum“ stand die Auseinandersetzung mit politischen Fragen auf dem Programm. Die Ökumenische Jury vergibt hier zwei jeweils mit 2'500 Euro dotierte Preise. Mit „Komonrik“ von Feliks Falk würdigte sie eine im heutigen Polen angesiedelte Geschichte, in der ein Gerichtsvollzieher eine tief greifende Wandlung durchmachen muss. Ebenfalls zeichnete sie den semidokumentarischen Beitrag „Conversations on a Sunday Afternoon“ von Khalo Matabane aus, der seine Hauptfigur in Johannisburg mit Opfern wie auch Tätern verschiedener Bürgerkriege zusammenführt.
Bei all den schweren Filmen der Berlinale, gelang mit der iranischen Komödie „Offside“ ein heiterer Abschluss, gleichwohl die Benachteiligung von Frauen in der muslimischen Gesellschaft im Zentrum steht: Mädchen dürfen nicht ins Stadion, und die Soldaten, die sie bewachen müssen, haben ihre liebe Not mit der resoluten Fussballbegeisterung. Die Komödie mit Tiefgang eröffnet einen Blick in den Iran, der Offenheit im Kleinen zeigt, ein hoffnungsvoller Film.