Preis der Ökumenischen Jury, Karlovy Vary 2023
Nicht genug damit, dass eine 70-jährige Witwe ihr Geld sprichwörtlich über den Balkon Betrügern in die Hände wirft, die sie telefonisch unter Druck gesetzt haben. Der Frau fehlt nun auch das dringend benötigte Geld, um das Grabmal für ihren jüngst verstorbenen Ehemann und sich selbst zu finanzieren. Sie, die ihr Leben lang hart gekämpft hat, lässt dieses Ziel nicht aus den Augen und wird dabei selbst zur Täterin: In krimineller Weise fügt sie anderen zu, was sie erlebt hat. Bis zur allerletzten Minute des Films glauben wir Zuschauer_innen, dass die Protagonistin einen kathartischen Moment erlebt und ihre Taten bereut. Doch Blaga bleibt ihren starken Überzeugungen treu und scheint keine andere Wahl zu haben als unmoralisch zu handeln. Im Schicksal jener Frau spiegelt sich die Not vor allem alter Menschen im postkommunistischen bzw. marktwirtschaftlich-kapitalistischen Bulgarien, die zwischen Überlebenskampf, Korruption und Ausbeutung oft nicht mehr wissen, auf wen sie sich verlassen können. Gesteigert wird dies durch eine religiös motivierte Angst um das Seelenheil ihres Mannes. Dieser Film überzeugt die Jury, weil er das Verhältnis von individueller Verantwortung und gesellschaftlichen Normen mit einer Eindringlichkeit erzählt, die es uns schwer macht, der herausragend von Eli Skorcheva verkörperten Protagonistin Sympathie entgegenzubringen, und uns dennoch dazu bringt zu fragen, ob wir genau wie sie handeln würden.