Brudermord
© Festival internazionale del film Locarno
In Yilmaz Arslans Fratricide (Brudermord) vernichtet der ewige Kreislauf von Rache und Vergeltung jeden Hoffnungsschimmer auf eine friedlichere Welt. Hier werden junge Leute gezeigt, die in Deutschland völlig entwurzelt zu üblen Zuhältern und zynischen Ausbeutern anderer Menschen geworden sind. Der 20-jährige Azad, den sein Bruder Semo, der skrupellose Zuhälter, nach Deutschland geholt hat, ist nicht so. Er versucht es zumindest, er verdient sein Geld im Schweiße seines Angesichts, wie man so sagt. Er rasiert in den Toiletten die Kunden einer kurdischen Bar. Er findet in dem Heim, das Asylsucher aufnimmt, mit Ibo eine Art kleineren Bruder, der ihm bei der Arbeit zur Hand geht und den er sehr schnell ins Herz schliesst und versucht, zu schützen. Die hoffnungsvolle Idee des Films ist, dass sie nach Albanien gehen wollen, das junge Mädchen begleiten, das Azad ins Herz geschlossen hat. Aber der Teufelskreis schließt sich fatalistisch und vereitelt diese Art von Happy-End. Arslans grösster Verdienst: er redet niemand nach dem Mund. Weder die Türken noch die Kurden werden sich mit diesem Film identifizieren oder gar brüsten wollen. Außer den zu Hause gebliebenen Alten und den Eltern des kriminellen Bruderpaars, das aufrecht seinen Krämerladen führt, gibt es in Fratricide keine akzeptablen Vertreter der Menschheit. (Heike Hurst)