Nicht nur angenehme Filme
Der Zustand der Welt lasse es nicht zu, meinte Festivalleiter Dieter Kosslick auf dem Ökumenischen Empfang der Berlinale, nur schöne Filme zu zeigen, Filme für unbeschwerten Genuss. Solange Filme die politischen und sozialen Lebensbedingungen der Menschen, Gewalt und Macht, Elend und Benachteiligung spiegeln, werden sie auch Trauer und Zorn, Mitleid und Entsetzen auslösen. Kosslick unterstrich damit die politische Dimension des Festivalprogramms, die sich zum Beispiel in der Wahl eines Schwerpunkts "Afrika" niederschlug und in Filmen wie "Hotel Ruanda" von Terry George oder "Sometimes in April" von Raoul Peck, die beide den Massenmord an den Tutsi in Ruanda 1994 zum Thema machen. Beide Filme erinnern auch daran, dass eine durchaus informierte Weltöffentlichkeit dem wochenlangen Abschlachten unschuldiger Menschen tatenlos zusah, allen politischen Beteuerungen zum Trotz, nach 1945 nie wieder einen Genozid zulassen zu wollen.
In der Unterstützung eines moralisch engagierten Kinos wusste sich Kosslick einig mit der kirchlichen Filmarbeit, deren Orientierung an Menschenwürde und Mitmenschlichkeit zuvor der Ratsvorsitzende und Berliner Landesbischof, Dr. Wolfgang Huber, hervorgehoben hatte. Wie die Filme der verschiedenen Festivalsektionen immer wieder belegten, sind diese universellen Kriterien keine äußerliche Zutat, sondern Elemente der künstlerischen Motivation der Filmemacher selbst. Als Beispiel bezog sich Huber auf den deutschen Wettbewerbsbeitrag "Sophie Scholl – Die letzten Tage" von Marc Rothemund, den er aus eigener Kenntnis namhaft machte. "Sophie Scholl im Verhör, in der Zelle, im Gebet, im Prozess: das ist das Drama von Vernunft, Menschlichkeit und Gewissen auf der einen, von Macht, Ideologie und Gewalt auf der anderen Seite. Damit bringt der Film nicht nur ein deutsches, nicht nur ein historisches, sondern ein immer wieder aktuelles Thema zur Sprache," sagte Huber und verwies konkret auf den gebotenen Widerstand gegen Versuche rechtsradikaler Gruppierungen, den 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai zu eigenen Zwecken umzudeuten.
Die künstlerische Leistung von "Sophie Scholl" wurde nicht nur von der Ökumenischen Jury mit ihrem Preis für einen Wettbewerbsfilm, sondern auch mit Silbernen Bären für die Regie und für die Hauptdarstellerin Juliane Jentsch belohnt. Die von evangelischer und katholischer Seite mit jeweils 2500.- Euro dotierten Preise im Forum und im Panorama verlieh die Ökumenische Jury Filmen, die sich mit der gegenwärtigen Situation Israels auseinandersetzen. Der Dokumentarfilm "On the Objection Front" (Forum) porträtiert israelische Reservisten, die den Einsatz in den besetzten Gebieten verweigern. Der Film "Geh und lebe" (Panorama) greift exemplarisch die Identitätsprobleme eines äthiopischen Flüchtlings christlicher Herkunft auf, der in Israel seine Heimat findet. Bereits am ersten Sonntag der Berlinale fand im Rahmen eines Gottesdienstes die Verleihung des mit 10.000 Euro dotierten European Templeton Film Award an den britischen Film "Yasmin" von Kenny Glenaan statt. Der Regisseur schildert die Spannungen zwischen der muslimischen Minderheit und der einheimischen Bevölkerung in einer nordenglischen Stadt nach dem 11. September. Das Filmkulturelle Zentrum im GEP war an Planung und Durchführung der kirchlichen Festivalevents maßgeblich beteiligt.