Die Welt neben den Stars
Die Kirchen auf der Berlinale 2015
© Ekko von Schwichow
Die Mitglieder der Ökumenischen Jury Berlin 2015 (v.l.): Gregg Brekke, Joachim Opahle, Gustavo Andujar, Inge Kirsner, Lukas Jirsa, Piet Halma
Oft ist die Berlinale in vergangenen Jahre kritisiert worden, wenn sie zuwenig Stars auf den Roten Teppich vor den Festival-Palast geschickt hat. Nun, in dieser Hinsicht scheint sie in diesem Jahr alles richtig zu machen. Nicole Kidman ist in einem eng anliegenden weißen Kleid mit ihren Filmpartnern James Franco und Damian Lewis zur Gala-Premiere ihres Films „Queen of the Desert“den Roten Teppich entlangflaniert. Sie spielt in dem Wüstenepos die Forscherin und Spionin Gertrude Bell, die um den Ersten Weltkrieg herum den Nahen Osten und die Wüsten Nordafrikas bereist. Die Dreharbeiten müssen anstrengend gewesen sein, und die australische Schauspielerin meinte auf der Pressekonferenz: „Ich bin an einem Punkt in meinem Leben angekommen, wo ich andere Länder kennenlernen und meine Komfortzone verlassen möchte.“ Auch Natalie Portman („Black Swan“) und Christian Bale, bekannt aus den letzten „Batman“-Filmen, haben ihren Film „Knight of Cups“ mit ihrem Glamour unterstützt. Denn, wie wir wissen, zeigt sich Regisseur Terrence Malick nie bei den Premieren seiner Filme. Und Ian McKellen, den wir als Gandalf in den „Herr-der-Ringe“- und „Hobbit“-Filmen in Erinnerung haben, zeigte auf der Pressekonferenz, dass er viel aufgeweckter ist als der schon senile Meisterdetektiv, den er in Bill Condons außer Konkurrenz gezeigtem „Mr. Holmes“ zu spielen hat.
Aber der nachmittägliche und abendliche Rummel auf dem Roten Teppich ist nur eine Seite der vielen Medaillen, die die Berlinale hat. Wenn auch die sichtbarste. Eine andere ist die, sagen wir einmal, Vermittlung von Filmen. Gerade die Filme aus den Ländern des Südens haben es schwer, überhaupt einen Verleih zu finden, und wenn es ihn denn gibt, auch bei uns in die Kinos zu kommen. Damit beschäftigt sich das Evangelische Zentrum für entwicklungsbezogene Filmarbeit (EZEF). Auf der Berlinale betreut es etwa den Dokumentarfilm „La sirène de Faso Fani“ von Michel K. Zongo aus Burkina Faso, der bei dem Festival seine Weltpremiere erlebte. Zongo hat in seinem Film ehemalige Arbeiterinnen und Arbeiter der Textilfabrik „Faso Fani“ in Kodougou interviewt. Die Fabrik, die einmal so etwas wie ein Aushängeschild der nationalen afrikanischen Produktion war, wurde 2001 nach langem Hin und Her, nach Privatisierung und Auseinandersetzungen mit Weltbank und Währungsfond, geschlossen. Zongo lässt nicht nur mit Archivmaterial und Zeitzeugen die Erinnerungen an die „goldene“ Zeit von Faso Fani aufleben, er zeigt auch die Arbeitsbedingungen der ehemaligen Beschäftigten, die heute per Hand und Webstühlen, wie in der vorindustriellen Zeit, Textilien fertigen. Am Ende schließen sie sich zu einer Kooperative zusammen.
La sirène de Faso Fani
Den Leiter von EZEF, Bernd Wolpert, hätte man auf dem traditionellen Ökumenischen Empfang, den in diesem Jahr die katholische Seite ausgerichtet hat, ansprechen können. Man darf sicherlich nicht erwarten, dort auf, sagen wir mal, Nicole Kidman zu treffen, aber auf viele Kolleginnen und Kollegen aus dem filmkulturellen Umfeld. Vorgestellt wird dort auch immer die Ökumenische Jury, die sich durch die vielen Filme aus den drei großen Sektionen der Berlinale, Wettbewerb, Panorama und Internationales Forum des jungen Films, kämpfen muss. Lukas Jirsa aus Tschechien ist in diesem Jahr der Präsident der sechsköpfigen Jury. Nach der Begrüßung durch Bischof Dr. Gebhardt Fürst, den Vorsitzenden der Publizistsichen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, beschäftigte sich Bischof Ralf Meister von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover mit den Beziehungen von Kino und Kirche, Bibel und Film. Er zitierte Thomas Mann, der in den zwanziger Jahren ein Drehbuch zu einer „Tristan und Isolde“-Verfilmung geschrieben hatte, und in sein Tagebuch notierte, dass den Menschen „das Lichtspiel gleich nach dem täglichen Brot kommt“. Und er sah die Geschichten der Bibel gewissermaßen unter kinematographischem Aspekt: „Gottes Geschichten sind nie abstrakt. Sie packen an, weil es um eine Beziehungsgeschichte geht. Gott-Mensch, Mensch-Gott, Mensch-Mensch. Und wie im Kino fallen alle Zeiten zusammen.“ Und er folgerte: „Diese Geschichten, im Kino wie in der Bibel, können das tägliche Brot sein, nicht nur, weil sie uns unterhalten, weil sie trösten und ermahnen, sondern weil sie uns hoffen lassen auf eine Welt, die noch bevorsteht.“
Der profilierte Drehbuchautor Fred Breinersdorfer sprach über die Funktion, die Kultur in Zeiten des Terrorismus haben könnte. Breinersdorfer wurde bekannt durch sein Drehbuch zu dem Kinofilm „Sophie Scholl – Die letzten Tage“, der vor zehn Jahren auf der Berlinale und danach erfolgreich im Kino lief. In diesem Jahr ist er mit dem außer Konkurrenz gezeigten „Elser – Er hätte die Welt verändert“ im Wettbewerb vertreten. Für ihn ist Kunst und Kultur ein Mittel, das im Kampf gegen Terrorismus du Faschismus noch viel zu wenig eingesetzt wird – „eine echte Chance, die Herzen der Menschen zu erreichen“. Und er forderte die Kirchen auf, den Kontakt zu den Kreativen, aber auch auf die den Redakteure in den Sendeanstalten stärker zuzugehen“. Anspruchsvolle Stoffe haben es immer noch schwer, und Breinersdorfer verwies auf seine eigenen Erfahrungen. Ein Kinofilm über Anne Frank, der gerade nach einem Drehbuch von ihm gedreht wird, sei von allen Sendern abgelehnt worden – die amerikanische Produktions- und Verleihfirma Universal ist eingesprungen. „Missionieren Sie deshalb geschickt die Redaktionen der Fernsehsender“, sagte Breinersdorfer.
Elser (Foto: Bernd Schuller)
Mit „Sophie Scholl“ hatte Breinersdorfer zusammen mit Regisseur Marc Rothemund auch die Sympathien der Leser der Zeitschrift epd Film gewinnen können. Sie fragt ihre Leser jedes Jahr nach ihren Kinovorlieben, und „Sophie Scholl“ gewann in der Kategorie bester deutscher Film. Der epd-Film-Leserpreis, ausgestattet mit einer wertvollen Uhr der Firma Nomos, wird jedes Jahr auf der Berlinale verliehen, seit vielen Jahren im Rahmen des Empfangs der Hessischen Landesregierung bei der Berlinale. Christian Petzold hat diesen Preis schon in den Händen gehalten, Andreas Dresen sogar zweimal, für „Wolke 9“ und „Halt auf freier Strecke“. Am Dienstag werden wir wissen, wer für 2014 gewonnen hat.