Film und Fall der Mauer beim Ökumenischen Filmempfang der Berlinale 2009

Neugierde, Resignation und Erinnerung

„Winter adé – Filmische Vorboten der Wende“ heißt das Filmprogramm der Kulturstiftung des Bundes, mit dem sie 2009 an die friedliche Revolution vor 20 Jahren in der DDR erinnert. Es wurde in einer Sonderreihe der diesjährigen Berlinale erstmals vorgestellt. Auch der Ökumenische Empfang der Kirchen stellte das Gedenken an den Mauerfall in den Mittelpunkt.

Der Empfang in der Katholischen Akademie Berlin, der von der EKD, der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz und dem Erzbistum Berlin getragen wird, würdigte damit  die Bedeutung des Films für einen gemeinsamen, Ost- und Westdeutschland umfassenden Gedächtnisraum.

Bischof Dr. Gebhard Fürst, Vorsitzender der Publizistischen Kommission der DBK, erinnerte in seiner Begrüßung an die kirchliche Filmarbeit in der DDR und an die kirchlichen Bemühungen um filmkulturelle Kontinuität, die sich etwa in der Übernahme und Pflege des DEFA-Filmstocks durch die katholische Tellux niederschlägt. Die Kulturbeauftragte der EKD, Dr. Petra Bahr, verdeutlichte an persönlichen Erfahrungen die Rolle von Filmen für eine vertiefte, alltags- und realitätsbezogene Wahrnehmung des jeweils „anderen“ Deutschlands. Das Erzählen, so die Kulturbeauftragte, sei „eine lebensnotwendige Kraft für eine Gesellschaft, die an vielen Ecken und Enden gar nicht weiß, wie sie eine Gesellschaft – und nicht zwei – sein soll.“ Dem Film als der mächtigsten und wirkungsvollsten Erzählform der Gegenwart komme für diesen Erfahrungsaustausch eine wichtige Rolle zu.

Der Hauptredner des Empfangs, der in der DDR geborene Regisseur Andreas Dresen, hob die Differenz in der Aneignung der west- bzw. ostdeutschen Filmkultur hervor. Dresen, der kurz vor der Wende sein Filmstudium abgeschlossen hatte, hat mit Filmen wie „Halbe Treppe“ oder „Wolke 9“ ein gesamtdeutsches Publikum gefunden. Im Gegensatz dazu haben die meisten der ostdeutschen Filmkünstler nach dem Mauerfall ihre Arbeitsmöglichkeiten verloren und resigniert. Dem Untergang der ostdeutschen stehe die Kontinuität der westdeutschen Filmkultur gegenüber. Es fehle, so Dresens Diagnose, ein Interesse an Alltagsgeschichten aus der DDR, an Durchschnittsbiografien, an „Grautönen“. In diesem Zusammenhang verwahrte sich Dresen auch gegen die pauschale negative Bewertung der DEFA-Filmproduktion durch Volker Schlöndorff, die dieser inzwischen relativiert hat. Dennoch, so Dresen, sei aus einem „Lapsus“ ein Politikum entstanden. Dresens differenzierte und abgewogene Darstellung fand bei den Gästen des Empfang starken Beifall.

Zum Abschluss stellte Charles Martig, katholischer Filmbeauftragter in der Schweiz, die Mitglieder der Ökumenischen Jury vor, die unter seinem Vorsitz zum Abschluss des Festivals die ökumenischen Filmpreise für Wettbewerb, Forum und Panorama verlieh. Forums- und Panorama-Preis sind von der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz jeweils mit 2500.- € dotiert.

Karsten Visarius