Erfolge ökumenischer Zusammenarbeit - Interreligiöse Perspektiven

Unter dem Titel "Making Visible the Invisible Through Film" diskutierte das INTERFILM-Seminar in Uppsala (9.-12. Juni 2016) religiöse Dimensionen und Elemente des Kinofilms insbesondere im Blick auf eine Erweiterung der erfolgreichen ökumenischen Zusammenarbeit der kirchlichen Filmorganisationen INTERFILM und SIGNIS um Perspektiven eines interreligiösen Dialogs. Gegenwärtig wirken die in Bern und Frankfurt beheimatete evangelische Mitgliederorganisation INTERFILM und die katholische Weltorganisation für Kommunikation SIGNIS bei der Berufung von 16 ökumenischen Jurys bei internationalen Filmfestivals zusammen. Neben rein evangelischen INTERFILM- und katholischen SIGNIS-Jurys bei weiteren Festivals existieren in Nyon beim Festival Visions du Réel bereits seit mehreren Jahren, in Leipzig seit diesem Jahr interreligiöse Jurys, für die INTERFILM und SIGNIS auch jüdische und muslimische Mitglieder benennen. Bisher fehlen Partnerorganisationen anderer Religionen.

Jenseits spezifischer religiöser Überzeugungen und sogar jenseits religiöser Aussagen überhaupt wirft eine interreligiöse Beschäftigung mit Film - und ebenso mit anderen Künsten - die Frage auf, wie religiöse Phänomene in sie Eingang finden können. Dieser Frage war das Eingangsreferat der Tagung, "The Invisible in the Picture", von Susanne Wigorts Yngvesson, Professorin für Ethik und Theologie an der Theologischen Hochschule Stockholm, gewidmet. Gegenüber der weit verbreiteten Überzeugung, nur das Sichtbare sei wirklich, machte sie eine Fülle von Beobachtungen namhaft, in denen das Unsichtbare zur Geltung kommt - in Filmen, Gemälden, Literatur, aber auch in der Alltagswelt. Prinzipiell, so ihre Einsicht, wird das Sichtbare nur durch das Unsichtbare sichtbar - es verschwände sonst in einem Feld reinen Lichts, in einer Sichtbarkeit ohne Unterschiede.

Als Bedingung des Sichtbaren ist das Unsichtbare in Bildern und in Filmen immer schon da. Von dieser phänomenologischen Grundlage aus können auch die transzendenten, "unsichtbaren" Elemente des Glaubens und der religiösen Welt ihre Darstellung finden. Der von Paul Schrader an einzelnen, singulären Künstlern wie Yasujiro Ozu oder Robert Bresson beschriebene "transcendental style"  ist in dieser Sicht nur die konsequente Ausformung einer Möglichkeit, die in Filmen immer wieder realisiert werden kann.  Schon ein elementares Phänomen der Filmsprache, der Blick in seinen zahlreichen Ausformungen (darunter auch der eigene des Zuschauers) ist genuin unsichtbar, "invisible", und kann demnach zum Material religiösen Ausdrucks werden.

Mit der Vorführung des Films "Words With Gods" wendete sich die Tagung anschließend der Thematik des interreligiösen Dialogs zu, für die er selbst ein herausragendes Beispiel bietet. Er entstand aus der Kooperation von neun namhaften Regisseuren, die in neun Geschichten Themen ihrer religiösen Herkunft darstellen, von der Spiritualität der australischen Aborigines über einen synkretistischen Kult Südamerikas, den Buddhismus und Shintoismus in Japan, die indischen Religionen, das Judentum, das Christentum in seiner orthodoxen und seiner katholischen Ausprägung, schließlich den Islam bis hin zum modernen Atheismus. Zu den Regisseuren zählen u.a. Mira Nair, Amos Gitai, Emir Kusturica, Bahman Ghobadi und Guillermo Arriaga aus Mexiko, der das ganze Projekt in die Wege leitete. Es erfuhr auf den Filmfestspielen in Venedig 2014 seine Uraufführung und wurde dort von der INTERFILM-Jury ausdrücklich hervorgehoben, konnte aber als Beitrag außerhalb des Wettbewerbs nicht mit deren Preis zur Förderung des interreligiösen Dialogs ausgezeichnet werden.

Allein die Bandbreite der Beiträge und der in ihnen zur Sprache kommenden religiösen Phänomene geht weit über die übliche Verengung des interreligiösen Dialogs auf die monotheistischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - hinaus und liefert damit einen wichtigen Hinweis auf die Prämissen, die eine interreligiöse Jury berücksichtigen muss. Die Diskussion eines anschließenden Panels führte zu einer lebhaften Kontroverse zwischen den verschiedenen Teilnehmern und Stimmen aus dem Publikum, die von grundsätzlicher Kritik an der ästhetischen Qualität der Filme und ihrer Aussagekraft bis zu subtiler Auslegung einzelner Episoden und überzeugter Zustimmung zum Gesamtprojekt reichte.

Mit einem Rückblick auf die Praxis ökumenischer Jurys in den letzten 20 Jahren wurde das Seminar am darauffolgenden Tag fortgesetzt. Johannes Feisthauer, Pfarrer aus Norddeutschland, untersuchte dazu die Begründungen der Jurys für ihre Auszeichnungen und fand darin eine signifikante Häufung der christlichen Schlüsselbegriffe Glaube, Liebe, Hoffnung - die bekannte Trias aus dem 13. Kapitel des 1. Korinther-Briefs. Den Teilnehmern stellte sich die Frage, ob sie auch als Fundament für einen interreligiösen Dialog jenseits der christlichen Ökumene geeignet sein könnten. In Workshops zum Verhältnis von Film und interreligiösem Dialog, zur dialogischen Reichweite von Filmgesprächen und zu Kriterien interreligiöser Jurys wurde die Debatte vertieft. Sie lieferte zahlreiche Anstöße für die weitere Arbeit von INTERFILM.

Die Veranstaltung umfasste auch die Generalversammlung von INTERFILM, die alle drei Jahre stattfindet und u.a. die Wahlen von Präsidium und Vorstand vorsieht. Als Präsidentin wurde Julia Helmke, Pastorin aus Hannover und zur Zeit Mitarbeiterin des deutschen Bundespräsidenten, wiedergewählt. Auch die anderen Vorstandsmitglieder wurden in ihrem Amt bestätigt, darunter Hans Hodel als Jurykoordinator und Karsten Visarius als Executive Director. Neu ins Präsidium rückte Charlotte Wells von der schwedischen Kirche. Sie folgt Philip Lee aus Kanada, der jedoch weiterhin Mitglied des Vorstands bleibt. Mit einem Gottesdienst im Dom von Uppsala schloss die Veranstaltung.