Nachruf von Karsten Visarius

Der langjährige Filmbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Dr. Gerd Albrecht, ist nach Angaben seiner Familie am vergangenen Montag im Alter von 75 Jahren in Köln gestorben. Albrecht bekleidete das Amt des Filmbeauftragten von 1971 bis 1983. Er studierte Evangelische Theologie, Psychologie und Soziologie und trat 1962 mit der Studie „Film und Verkündigung“ hervor. Nach seinem Studium leitete er das Filmseminar  an der Universität Bonn, dann die Abteilung Massenkommunikation am Kölner Forschungsinstitut für Soziologie. Von 1970 bis 1980 stand er an der Spitze des Instituts für Medienforschung in Köln. 1981 übernahm er die Leitung des Deutschen Instituts für Filmkunde, die er bis zu seiner Pensionierung 1996 innehatte. Für INTERFILM war er zeitweilig Mitglied des Executive Committees, Direktor der INTERFILM-Akademie und mehrfach Mitglied der INTERFILM-Jurys bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin und Oberhausen. Bis zuletzt war Albrecht für die evangelische Kirche in der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) tätig.

Als Filmwissenschaftler hat sich Gerd Albrecht unter anderem um die Untersuchung des Films im Nationalsozialismus verdient gemacht, so mit der grundlegenden Studie „Nationalsozialistische Filmpolitik“ (1969). Sie führt in den Kern einer Verbindung von akademischen, moralischen und politischen Engagement, die ihn auch als evangelischen Filmbeauftragten auszeichnete. Auf diesem Fundament hat er von Politik und Kirche eine kulturell profilierte Unterstützung des Films angemahnt.  In seinen Stellungnahmen als EKD-Beauftragter zur Filmförderung hat diese Haltung immer wieder ihren Niederschlag gefunden. Seine profunde Kenntnis und sein persönlicher Erfahrungshintergrund – er wurde 1933 im polnischen Chodziez (Kolmar) geboren – verbanden sich zu einem verschmitzten Eigensinn, mit dem er Jüngeren seine Einsichten zu vermitteln wusste. Seine pädagogische Ambition kam in Einführungen zur Filmanalyse, in seiner Arbeit als FSK-Prüfer, die er als Abwägung zwischen Schutz und Ermöglichung von Erfahrung verstand, aber auch in populären, auf breite Wirkung angelegten Publikationen wie „Die großen Filmerfolge“ (1985) zur Geltung. Nur aus einem solch breiten Horizont konnte er fragen: Kann Unterhaltung als Parabel dienen? – und die Frage bejahen. Auf der anderen Seite setzte er sich für einen Film der Avantgarde wie „Moses und Aron“ von Jean-Marie Straub und Danièlle Huillet ein und verteidigte die Jury der Evangelischen Filmarbeit, die ihn als „Film des Monats“ ausgezeichnet hatte. Ein Gesamtverzeichnis seiner Arbeiten ist in dem zum 50-jährigen Jubiläum von INTERFILM publizierten Band „Kirche und Film im Dialog“ (2005) erschienen. Mit Gerd Albrecht haben Filmkultur und Kirche einen offenen Geist, einen Anwalt ethisch inspirierten Filmengagements und eine Instanz der filmhistorischen Erinnerung verloren.