Seit „Bonnie and Clyde“ war Gene Hackman einer der Kinohelden meiner Jugend. Wir fuhren in die Kölner Innenstadt und gingen in die Cinemathek, die hinter dem Dom, gegenüber dem WDR lag. Im Vortragsaal des alten Wallraff-Richartz-Museums saß man auf Holzklappsitzen, aber Bequemlichkeit spielte keine Rolle. Wichtig war nur, alle Filme im Original zu sehen, mit oder ohne deutsche Untertitel.
Ich vermute, dass ich dort auch „Bonnie und Clyde“ gesehen habe, den Film, der sich einfach über die Zensur des Hays Code hinwegsetzte und das spießige Hollywood-Entertainment der 60er Jahre wie „Mary Poppins“ und „Dr. Doolittle“ wegfegte. Gene Hackman war natürlich nicht der coole, wenn auch impotente Liebhaber von Faye Dunaway (gespielt von Warren Beatty) sondern sein biederer Cousin, der eine hysterische Frau am Bein hat, die mit ihrem Geschrei die Polizei auf das Versteck der Bande aufmerksam macht.
Der nächste Film war „The French Connection“, der epochale Cops-and-Gangster-Thriller von William Friedkin. Gene Hackman spielt den Drogenfahnder „Popeye“ Doyle, der auf Fernando Rey, den aalglatten Drahtzieher der französischen Drogenmafia, angesetzt ist. Während Hackman verkleidet als Santa Claus frierend auf der Straße steht, diniert sein Widerpart in einem eleganten Restaurant. Als Hackman plötzlich merkt, dass ihm ein Verdächtiger entwischt, rennt er ihm in seinem albernen Weihnachtskostüm hinterher, eine Illustration hilfloser Wut des sozialen Underdogs. Legendär ist die Szene, als Fernando Rey ihn austrickst und Hackman im Auto unter der oberirdischen Subway hinter ihm herjagt.
Gene Hackman hatte schon früh den Wunsch, Schauspieler zu werden. "Acting was something I wanted to do since I was 10 and saw my first movie," he said. "I was so captured by the action guys. Jimmy Cagney was my favorite. Without realizing it, I could see he had tremendous timing and vitality.”
Mit 16 bricht Hackman die Schule ab und geht zum US Marine Corps. Mit 22 Jahren bewirbt er sich am Pasadena Playhouse. Hier bescheinigt man ihm mangelndes Talent, ähnlich wie seinem Kollegen Dustin Hofman. Von Los Angeles entnervt, zieht Hackman nach New York, wo die beiden sich mit Robert Duvall anfreunden und mit Aushilfsjobs durchschlagen. Als Türsteher begegnet Hackman seinem früheren Schauspiellehrer, der meint, zu mehr werde es bei ihm wohl nicht reichen.
„It was more psychological warfare, because I wasn't going to let those fuckers get me down. I insisted with myself that I would continue to do whatever it took to get a job. It was like me against them, and in some way, unfortunately, I still feel that way.” Ähnlich wie sein Vorbild James Cagney, lässt sich Hackman nichts vorschreiben und legt sich mit Autoritäten an. Im Interview mit Larry King auf CNN sagte er, “I have trouble with direction, because I have trouble with authority. I was not a good Marine. I was -- I made Corporal once and was promptly busted. And I just have always had trouble with authority.“
Was ihn so besonders machte, war nicht zuletzt sein unspektakuläres Aussehen. Die New York Times beschrieb ihn als einen Mann mit unauffälligen Gesichtszügen, der nie jung ausgesehen hat und leicht in einer Menschenmenge verschwinden konnte.
Die Rolle in „The French Connection“ verhalf Hackman zu seinem ersten Oscar als bester Hauptdarsteller und zum Durchbruch in Hollywood. Kurz darauf spielte er zusammen mit Al Pacino in „Scarecrow“ von Jerry Schatzberg (Asphalt-Blüten, 1974). Es sind zwei soziale Außenseiter, die sich von Kalifornien nach Detroit und Pittsburgh durchschlagen. Was die beiden unterwegs erleben, ist alles andere als eine Heldenreise. Es ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei marginalisierten Existenzen, einem Ex-Gefangenen und einem ehemaligen Psychiatriepatienten. Gene Hackman hat seine Figur in „Scarecrow“ später als seine wichtigste Rolle bezeichnet.
1974 agiert er zusammen mit John Cazale in „The Conversation“(Der Dialog), einem weiteren Klassiker des „New Hollywood“, als einsamer Abhörspezialist Harry Caul , der sich in einem Netz von Paranoia verfängt und am Ende in den Trümmern seines Apartments sitzt. Hackman beklagte sich über die unpräzisen Regieanweisungen von Francis Ford Coppola. Trotzdem gelang ihm ein eindrucksvolles Charakterportrait im Klima des Watergate Skandals. „The Conversation“ gewann die Goldene Palme in Cannes und seine Darstellung wurde besonders gelobt.
Hackman hat ungefähr 100 Filme gedreht, in seinen Anfängen hatte er kleine Rollen im Fernsehen und erste Erfolge auf dem Broadway. In Arthur Penns „Night Moves“(Die heiße Spur, 1975) spielt Hackman den Privatdetektiv Harry Moseby, eine Figur wie aus einem Roman von Raymond Chandler. „Night Moves“ ist ein düster psychologischer Thriller, der von der Kritik unterschätzt und an der Kinokasse ein Flop wurde. Später als Kultfilm rehabilitiert, nannte ihn der Filmhistoriker Robert Kolker „a film of impotence and despair“. Berühmt wurde der lapidare Kommentar von Hackmans Figur zu dem französischen Klassiker „Meine Nacht bei Maud“: „I saw a Rohmer film once. It was kinda like watching paint dry.”
Unter der Regie von Alan Parker spielt er in „Mississippi Burning“ (Die Wurzel des Hasses,1988) den FBI-Agenten Anderson, der 1964 im rassistischen Süden den Mord an Civil Rights Aktivisten aufklärt.
Zweimal hat Gene Hackmann mit Clint Eastwood gearbeitet. In „Absolute Power“ (1997) spielt er einen korrupten amerikanischen Präsidenten, dessen Geliebte bei gewalttätigen Sexspielen zu Tode kommt. Trotz einer großartigen Besetzung traf der Film bei der Kritik auf wenig Begeisterung. Ganz anders fiel die Rezeption bei „Unforgiven“(Erbarmungslos, 1992) aus. Hackman hatte zuerst Skrupel, die Rolle des sadistischen Sheriffs Little Bill zu übernehmen, der Morgan Freeman zu Tode peitscht. Der Film war ein riesiger Erfolg und brachte Clint Eastwood die endgültige Anerkennung als ernstzunehmender Regisseur. „Unforgiven“ wurde mit mehreren Oscars ausgezeichnet, u.a. für den Besten Film, die Beste Regie und Gene Hackman als Bester Nebendarsteller.
In Wes Andersons „The Royal Tenenbaums”(2001) mischt der 71jährige als geschiedener Ehemann von Angelica Huston und selbstironischer Großvater, der mit seinen Enkelkinder allen möglichen Schabernack treibt, die Familie auf.
2004 hat Gene Hackman das letzte Mal vor der Kamera gestanden. Dann zog er sich nach Santa Fe zurück, wo er malte, Architektur Entwürfe machte und historische Romane schrieb. Im Februar 2025 starb er im Alter von 95 Jahren. Viele seiner Schauspielerkollegen sprachen mit Bewunderung über ihn. Jetzt bleibt nur der Wunsch, die Filme von Gene Hackman auf der Kinoleinwand wiederzusehen.