New York Stories
Alfonso Ruizpalacios gewann vor sechs Jahren mit seinem Film „Museo“ (Museum) in Berlin den Silbernen Bären und könnte in diesem Jahr könnte wieder zu den Preisträgern zählen. „La Cocina“ (Die Küche, Mexiko, USA 2024) führt uns hinter die Kulissen des High End Restaurants „The Grill“ am Times Square in New York City. In der Küche arbeiten vor allem Mexikaner, die meisten ohne gültige Aufenthaltserlaubnis. Daneben Schwarze, Marokkaner und andere Nationalitäten. Estela (Ana Diaz) ist gerade aus Mexiko gekommen und erwischt durch einen glücklichen Zufall einen Job an der Seite von Pedro (Raúl Briones Carmona), der hier schon seit Jahren arbeitet. Dieser hat eine wilde Affäre mit der amerikanischen Kellnerin Julia (Mara Rooney) und möchte sich mit ihr eine Existenz in Mexiko aufbauen. Als 800 Dollar in der Kasse fehlen, werden alle Angestellten verhört, um den Dieb zu finden. Der Generalverdacht setzt eine Spirale von Gewalt in Bewegung, die in einer heftigen Schlägerei und totalem Chaos endet.
Die schnellen Schnitte und die Schwarz/Weiß Photographie geben dem Film eine Atemlosigkeit, die mit der Hektik der Bestellungen in der Rush Hour am Mittag und Abend korrespondiert. Pedro ist ein erfahrener Koch, aber auch ein durchgeknallter Typ, der seine Kollegen gerne provoziert und beim geringsten Anlass ausrastet. Die schwierige Beziehung zu der weißen Kellnerin Julia trägt nicht gerade zur Beruhigung bei.
Ruizpalacios, der auch das Drehbuch geschrieben hat, inszeniert die rasanten Dialoge und permanenten Flüche des mexikanischen Küchenteams als Mikrokosmos einer migrantischen Subkultur, die vor den Augen der Restaurantgäste verborgen bleibt. Es tobt ein ständiger Kampf um Selbstbehauptung und Anerkennung in einem System aggressiver Konkurrenz, in dem nur kurze Momente von Solidarität aufscheinen.
Konkurrenz ist auch das zentrale Motiv Aaron Schimberg Body-Horror-Drama „A Different Man“ (USA 2023). Edward (Sebastian Stan) muss sich mit kleinen Rollen durchschlagen, denn er leidet darunter, dass sein Gesicht durch Wucherungen entstellt ist, eine sogenannte Neurofibromatose. Trotzdem gewinnt er die Aufmerksamkeit seiner attraktiven Nachbarin Ingrid, einer norwegischen Nachwuchsautorin (Renate Reinsve). Edward soll die Hauptrolle in ihrem autobiographischen Theaterdebüt spielen, das am Off Broadway aufgeführt wird. Dank einer Gesichtsoperation gewinnt Edward ein normales Aussehen zurück und wird über Nacht ein erfolgreicher Immobilienmakler, der nach wie vor von einer Theaterkarriere träumt. Doch daraus wird nichts, weil die schöne Norwegerin von seinem monströsen Aussehen angezogen war und mit seiner neuen ‚Normalität' nichts anfangen kann.
Aaron Schimberg spart nicht mit New York-Klischees aus der kreativen Szene. Ein Schauspieler, unterwegs von einem frustrierenden Vorsprechen zum nächsten. Er wohnt in einem heruntergekommenen Apartment, wo es durch die Decke tropft, doch er träumt weiter vom Durchbruch am Off Broadway. Bis auf die Elemente von Body Horror eine wenig überzeugende Geschichte, die gegen Ende in Beliebigkeit zerfasert.
Über den dystopischen Thriller „Another End“ (Italien 2024) des Italieners Piero Messina lässt sich ebenfalls wenig Gutes sagen. Auch hier ist das Setting eine moderne Megalopolis, vergleichbar ist auch das Starpotential ist. Selten hat man den Mexikaner Gabriel Garcia Bernal (mit militärischem Kurzhaarschnitt) so blass agieren gesehen. Bei einem selbstverschuldeten Autounfall ist seine Frau (einmal mehr Renate Reinsve) ums Leben gekommen. Gefangen in seiner depressiven Trauer wird ihm von dem futuristischen Unternehmen Aeternum eine utopische Lösung namens „Another End“ angeboten. Die in der Datenbank des Unternehmens gespeicherten Erinnerungen der Verstorbenen werden einem passenden Host eingesetzt, um dem Trauernden Gelegenheit zu geben, noch einmal Abschied zu nehmen.
Das ist ähnlich wirr inszeniert, wie es sich liest. Mit seiner Schwester (Bérénice Béjo) spricht Garcia Bernal Spanisch, mit Renate Reinsve Englisch. Wir ahnen, dass wir es mit einer universellen Geschichte aus einer technologisch pervertierten Zukunft zu tun haben. Ein italienischer Regisseur besetzt einen mexikanischen Hauptdarsteller und zwei weibliche Stars des europäischen Arthouse-Kinos. Das Resultat: ein cineastischer Europudding der prätentiösen Art.