Preissegen für asiatische Filme
Der nepalesische Regiesseur Deepak Rauniyar und seine seine Frau und Schauspielerin Asha Magrati freuen sich über den Preis der Ökumenischen Jury (Foto: © Freiburger Nachrichten, Charles Ellena)
Das 31. FIFF 2017 bot einmal mehr ein spannendes Panorama an Filmen aus Asien, Afrika und Lateinamerika. Der Schwerpunkt lag dieses Jahr beim asiatischen Film: Die Sondersektion „Nouveau Territoire“ war Nepal gewidmet und im internationalen Wettbewerb stammten rund zwei Drittel der Filme aus Ländern Asiens. Auch an der Preisverleihung stand Asien im Zentrum: Sämtliche Auszeichnungen im internationalen Wettbewerb konzentrierten sich auf drei Filme aus Singapur, Nepal und Bhutan.
Die weisse Sonne der Zukunft
Die ökumenische Jury hat ihren Preis an den Film White Sun (Seto Surya) des nepalesischen Regisseurs Deepak Rauniyar verliehen. Der Film erzählt die zutiefst menschliche, tragikomische Geschichte eines schwierigen Begräbnisses in einem abgelegenen Bergdorf. Der Regisseur versteht seinen Film als Allegorie auf die aktuelle Situation in Nepal, wo nach langjährigem Bürgerkrieg zwischen Maoisten und Königstreuen nun langsam die Hoffnung aufkeimt, dass man die Vergangenheit abschliessen und nach vorne blicken kann. Die berührende Familiengeschichte, in welcher die Kinder eine wichtige Rolle übernehmen, ist ein leichtfüssig inszeniertes Plädoyer für Versöhnung und Frieden, welches bestens den Kriterien der ökumenischen Jury entspricht. Deepak Rauniyar und seine Frau, die Schauspielerin Asha Magarati, welche im Film eine alleinstehende, starke Mutter verkörpert, durften – sehr gerührt – auch den Publikumspreis, den Don Quijote-Preis der FICC sowie eine lobende Erwähnung der Internationalen Jury entgegennehmen.
Die Einsamkeit des Henkers
Der grosse Preis der internationalen Jury ging verdientermassen an den Film The Apprentice aus Singapur, welchen auch die ökumenische Jury intensiv diskutierte. Der junge Regisseur Boo Jungfeng hat ein beklemmendes Kammerspiel um einen jungen Gefängniswärter inszeniert, der sich dem alten Henker andient, um von ihm das Handwerk des Tötens zu erlernen, wobei seine wahren Beweggründe erst nach und nach offenbart werden. Starke Schauspieler, eine kluge Story und sorgfältige Kameraeinstellungen, welche die Einsamkeit der Menschen und die klaustrophobe Stimmung im Hochsicherheitsgefängnis perfekt ins Bild setzen, ergeben zusammen einen differenzierten Diskussionsanstoss zum Thema Todesstrafe. Ein wichtiger Film, gerade auch für das Herkunftsland des Regisseurs und andere Länder in Südostasien, wo die Todesstrafe, also das gesetzlich und gesellschaftlich legitimierte Töten, mehrheitlich als eine „gute“ und wirkungsvolle Strafe betrachtet wird.
Bond in Bhutan
Ebenfalls mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde der erste Film einer Regisseurin aus Bhutan. Ebenso rätselhaft wie der Titel, Honeygiver among the Dogs (Dechen Roder) war auch der ganze Film, eine eigentümliche Kombination von traditionellen Sagen und Legenden mit einer Agentenstory: Ein Ermittler der Polizei soll den Tod einer Nonne in einer abgelegenen Gegend aufklären. Eine geheimnisvolle schöne Frau führt ihn immer tiefer in den Wald und in die Mythologie, wobei die Grenzen zwischen Realität und Traum in diesem poetischen und hypnotischen Film immer wieder verwischt werden.
Im Namen Gottes ...
Leer ausgegangen ist der russische Film The Student (Kirill Serebrennikov), ein unbequemer, provozierender Film, der die Zuschauer/-innen aufwühlte und durchaus auch Anwärter auf einen Preis gewesen wäre: Der auf einem Theaterstück basierende Film zeigt, wie ein Gymnasiast sich schleichend in einen religiösen Wahn hineinsteigert und zum fanatischen Prediger eines fundamentalistischen Christentums wird. Bei jeder Gelegenheit zitiert er aus der Bibel und macht damit deutlich, wie die Werte einer Religion aufs Absurdeste pervertiert werden können, wenn man sich blind an die Schriften hält und alles wortwörtlich nimmt. Das Umfeld des Jungen reagiert hilflos, lässt den Jugendlichen gewähren und hofft, dass sich alles von selbst regeln werde. Einzig die Biologielehrerin leistet dem demagogischen Jungen entschlossen Widerstand, wobei auch sie die Katastrophe nicht verhindern kann. Der Film ist schematisch konzipiert wie ein Lehrstück zu religiösem Fundamentalismus; ein Mahnmal gegen Extremismus jeglicher Ausprägung und ein wichtiger Beitrag zur Sensibilisierung für ein hochaktuelles Thema.
Vater und Sohn im Südsommer
Ein überraschend leiser Film war der argentinische Wettbewerbsbeitrag des jungen Regisseurs Dario Mascambroni: Primero Enero (Neujahr) lebt nicht von der Handlung, denn geschehen tut praktisch nichts in diesem No-Budget-Film: Wir beobachten einen Vater mit seinem kleinen Sohn, welche in einer idyllischen Gegend eine Ferienwoche in ihren Landhaus verbringen. Das Haus soll anschliessend verkauft werden, und so schwebt denn über der innigen gemeinsamen Ferienzeit bereits ein Hauch Melancholie in der Luft, eine Ahnung von Abschied: Abschied vom Ferienhaus, Abschied von der trauten Familie (der Mann ist frisch geschieden und der Junge vermisst seine Mutter), Abschied von der unbeschwerten Kindheit: Der Vater hat genaue Pläne, was er mit seinem Sohn alles machen will, lauter „typisch männliche“ Aktivitäten. Der Sohn widersetzt sich jedoch diesen Plänen beharrlich, und das Schöne ist, dass der Vater flexibel genug ist, auf Änderungswünsche einzugehen. So kommt es, dass die beiden schliesslich einen Baum pflanzen anstatt einen zu fällen; eine vegetarische Pizza zubereiten anstatt ein grosses Stück Fleisch zu grillieren, usw. Eine berührende Vater-Sohn-Geschichte, die meisterhaft die Stimmung einer beginnenden Emanzipation einfängt; eine Stimmung, die noch lange nachhallt. „Ce n’est pas un film, c’est un poème“, wie es unser französisches Jury-Mitglied treffend zusammenfasste.
Purgatorium und Hölle
Ein interessantes Gedankenexperiment präsentiert der kenyanische Film Kati Kati (Mbhiti Masya), der auch zur diesjährigen Genre-Kino-Sektion „Gespensterfilme“ passte: Nach dem Tod finden sich die Verstorbenen in einer Art Feriencamp wieder, wo sie sich mit ihrem Leben und ihrer Schuld auseinandersetzen müssen, bevor sie vom öden, ewigen Feriendasein „erlöst“ werden. – In der Hölle auf Erden wähnte man sich hingegen in den beiden Filmen aus Südkorea und Laos: Beide zeigen abstossende, sadistische Brutalität und Gewalttätigkeit, die man lieber nicht hätte sehen wollen. Es irritiert, dass solche Filme Eingang in den Wettbewerb gefunden haben.
Hommage ans Kino
Eine wahre Augenweide war hingegen der indische Dokumentarfilm Cinema Travellers (Amit Madheshiya, Shirley Abraham), eine farbenfrohe Hommage an die aussterbende Kultur der fahrenden Kino-Schausteller, welche mit ihren Projektionswagen von Dorf zu Dorf tingeln und den Menschen in entlegenen Gebieten Emotionen und Geschichten bringen: Ein Film über das Glück der bewegten Bilder, die mit der harten körperlichen Arbeit der Marktfahrer kontrastiert, und über die leise Traurigkeit darüber, dass das sinnliche Rattern der Projektoren immer öfter verklingt und durch das synthetische Piepsen von digitalen Beamern abgelöst wird.
Preiswürdig!
Das Festival, das mit einer unkomplizierten und familiären Ambiance aufwartet, hätte als Ganzes auch einen ökumenischen Preis verdient dafür, dass es bereichernde Begegnungen zwischen Nord und Süd ermöglicht und den interkulturellen und interreligiösen Dialog fördert. Die spannenden Diskussion mit verschiedenen Jury-Mitgliedern und Filmschaffenden aus aller Welt tragen zum Perspektivenwechsel bei und machen klar, dass Kultur durchaus eine völkerverbindende Funktion hat: „Die Welt wäre vermutlich ein klein wenig besser, wenn mehr Leute die Chance hätten, an einem solchen Anlass teilzunehmen“, ist ein katalanisches Mitglied der FICC-Jury überzeugt.