In diesem Jahr hat die Ökumenische Jury beschlossen, den Mut und den Beitrag zur Entwicklung eines zukünftigen Weges für die gesamte Filmindustrie zu würdigen. Unser Gewinnerfilm beeindruckte alle Teammitglieder durch ein relevantes Thema, meta-ironische Herangehensweise, Integrität und Vollständigkeit der Themenoffenbarung. Den Filmemachern ist es auf experimentelle und doch überzeugende Weise gelungen, eine Aussage zu treffen und gleichzeitig einen eindrucksvollen visuellen Stil zu etablieren. Wir schätzen die mutige Geste und den wichtigen Beitrag zur Diskussion über moderne Technologien (KI), die unseren Alltag immer mehr beeinflussen und uns gelegentlich ein Gefühl der Ohnmacht vermitteln.
69. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen
(vis/Christian Murer) Bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen 2023 waren erstmals eine ökumenische Jury sowohl im Internationalen Wettbewerb wie im Kinder- und Jugendfilmwettbewerb akkreditiert. "Let's be friends" von Arno Coenen und Rodger Werdhoven gewann den Preis der Jury im Internationalen Wettbewerb, "Le jour de gloire" den im Kinder- und Jugendfilmwettbewerb. Eine Lobende Erwähnung sprach die Ökumenische Jury des Internationalen Wettbewerbs außerdem für "Every Sunday, GrandMa" von Laure Prouvost aus.
Den Großen Preis der Stadt Oberhausen erhielt "Chornobyl 22" von Oleksiy Radynski aus der Ukraine. Der Hauptpreis der Internationalen Jury ging an "Camino de lava" von Gretel Marín Palacio aus Kuba. Die FIPRESCI-Jury vergab den Preis der internationalen Filmkritik an "2720" von Basil da Cunha (Portugal; Schweiz 2023).
Die 69. Internationalen Kurzfilmtage zeigten insgesamt über 500 Filme. Ein Programmschwerpunkt unter dem Titel "Against Gravity" lag auf dem neuen Genre Machinima, Filmen, die mit Hilfe von Computerspielen gemacht werden. Außerdem widmete das Festival den Künstlern Marcel Broodthaers (Belgien), Teboho Edkins (Deutschland/Südafrika), Alexandra Gulea (Rumänien), Lynne Sachs (USA) und der Japanerin Yamashiro Chikako eine Werkschau. Ein Jubiläum feierte der "MuVi"-Wettbewerb für Musikvideos, den das Frestival vor 25 Jahren eingerichtet hat.
Das Festival begann für die zahlreichen Jurys des internationalen Wettbewerbs bereits am Mittwochnachmittag des Eröffnungstages mit der Sichtung der beiden letzten Wettbewerbsblöcke. Am Abend folgte die feierliche Eröffnung im Kino Lichtburg mit den Reden aus Kultur, Politik, Wirtschaft und von Festivalleiter Lars Henrik Gass. Das Programm des internationalen Wettbewerbs umfasste 48 Kurzfilme, welche die ökumenische Jury während vier Tagen sichtete.
Die Jury hatte hohe Erwartungen an das Festivalprogramm. Sie hoffte auf neue Erzählungen, bewegende Themen und innovative Bilder, wenn sie Festivalkino Lichtburg nach einer intensiven Diskussion erneut betrat. Doch die Jurymitglieder wurden keineswegs enttäuscht. «Es war ein dichter Wettbewerb an einem ausgezeichneten Festival», sagte Christian Gürtler abschliessend. Es seien Fragen nach Sinn, Wirklichkeit und Gemeinschaft gewesen, die all diese Filmbilder so inhaltlich und ästhetisch unverzichtbar für unsere kulturelle Verständigung machten. Christian Murer war zudem beeindruckt, wie sich während des Festivals Filmfans von allen Altersstufen trafen: «Die Kleinsten besuchten das Kindergartenprogramm. Grössere kamen als Schulklassen oder am Sonntag mit den Eltern oder Grosseltern. Dazu mischten sich Jugendliche und Erwachsene. Der Platz vor dem Kino war ständig belebt. Es war ein angeregter Treffpunkt und Ort von Diskussionen über das Gesehene und Erlebte.»
Auszeichnungen
Wir möchten einen Film besonders hervorheben, der einen unvergesslichen Eindruck auf den gesamten weiblichen Teil unserer Jury und auch auf die beiden Christians gemacht hat. Die Darstellung einer Frau im Alter auf so reizvolle und spielerische Weise setzt einen neuen Akzent in der Filmindustrie. Die alternde Frau, die früher zu Unrecht in Vergessenheit geraten war und nun mit der ganzen Kraft ihrer Schönheit wieder aufersteht, wird zu einem neuen Trend in der jugendbesessenen, männlich geprägten Welt des Kinos. Vielen Dank für ihr inspirierendes Meisterwerk, liebe Laure Prouvost. "Every Sunday, GrandMa" sollte sich in der nächsten strahlenden Zukunft genauso fühlen wie die Protagonistin.
Der 20-jährige Kamel und seine Freunde haben einen Plan: Sie wollen ihre Stadt zu einem lebenswerten Ort für alle machen. Aber sie sind mit der Härte einer Erwachsenenwelt konfrontiert, in der gute Ideen nicht ausreichen, um erfolgreich zu sein. Wenn sie als unwichtig abgetan werden, verlieren sie nicht die Hoffnung und sind entschlossen, für eine bessere Zukunft zu kämpfen. „A Glorious Day“ zeigt eindrucksvoll ein offenkundig relevantes Thema für Kinder und Jugendliche in Zeiten multipler Krisen: Wie können sie an der Gesellschaft teilhaben, obwohl sie aufgrund ihres Alters, ihrer sozialen Herkunft oder ihrer mangelnden politischen Erfahrung ausgegrenzt werden? Wir sehen, wie Familie für junge Menschen, die sich etablieren wollen, hilfreich und destruktiv zugleich sein kann – und wie Solidarität persönliche Bedürfnisse überwindet. Das gut ausgeführte Drehbuch, die herausragenden Schauspieler und die Fähigkeit, eine universelle und doch komplexe Geschichte durch ein scheinbar kleines Ereignis zu erzählen, haben die Jury von diesem Film ebenso überzeugt, wie der junge Kamel von Community Organizing als Mittel zur Selbstwirksamkeit überzeugt ist.