Kultfiguren
Kein Starauftritt auf dem Roten Teppich löste so viel hysterische Begeisterung aus wie der von George Clooney und Brad Pitt. Die schönen Männer aus Hollywood präsentierten ihren Film „Wolfs“ (Einsame Wölfe), der außer Konkurrenz gezeigt wurde. Eigentlich fängt die Geschichte ganz spannend an. In einem New Yorker Luxushotel will eine prominente Staatsanwältin einen erotischen Abend mit einem 30 Jahre jüngeren Mann verbringen, der auf einmal tot am Boden liegt. In ihrer Not ruft sie einen Spezialisten für prekäre Situationen an, der von George Clooney als professioneller ‚Tatortreiniger‘ gespielt wird. Die Situation scheint gerettet, bis Brad Pitt auftaucht, der von der Hoteldirektion mit derselben Aufgabe betraut wurde. Wohl oder übel müssen die beiden zusammenarbeiten.
Was als ein Thriller im nächtlichen New York beginnt, entwickelt sich bald zu einer Klamauk Geschichte mit Starbesetzung. Die Dialoge zwischen den beiden sind bemüht witzig, allerdings vorhersehbar. Im Verlauf des Films zerfleddert das Drehbuch zusehends, Figuren tauchen auf und verschwinden wieder, ohne viel zu der Geschichte beizutragen. Am Ende müssen die beiden dem vermeintlich Toten, der plötzlich wieder zum Leben erwacht ist, helfen, eine riesige Ladung Kokain an den richtigen Bestimmungsort zu bringen. Unterwegs tauchen zuerst die albanische, dann die kroatische (?) Mafia auf. Doch unsere Helden bleiben auch dann noch cool, als ihr stylish schwarzer BMW komplett von Kugeln durchsiebt wird.
Die anschließende Pressekonferenz bot mehr Unterhaltungswert als der Film selbst. George Clooney bewies seine Qualitäten als schlagfertiger Entertainer und glänzte mit kleinen Anspielungen auf das kürzliche Facelifting seines Partners.
Pedro Almodóvar ist der spanische Regisseur par excellence, ein Kultautor des europäischen Arthouse Kinos. Für Venedig war sein erster englischsprachiger Film angekündigt, „The Room Next Door“ nach dem Roman der New Yorker Autorin Sigrid Nuñez „What Are You Going Through“ (deutscher Titel: Was fehlt Dir?). Von Festivaldirektor Alberto Barbera wurde der Film als absolutes Meisterwerk angekündigt, als Almodóvars „verstörendes und herzzerreißendstes“ Werk der letzten Jahre, eine einzigartige Studie zum Thema Sterbehilfe. Die meisten Kritiker waren ähnlich begeistert, bei der Premiere soll es 17 Minuten Applaus gegeben haben.
Die Schriftstellerin Ingrid (Julianne Moore) kümmert sich um ihre krebskranke Freundin, die Kriegsreporterin Martha (Tilda Swinton). Nachdem ihre Krebstherapie erfolglos geblieben ist, will Martha ihrem Leben ein Ende setzen. Doch dafür braucht sie die Hilfe einer Freundin, die im Zimmer nebenan für sie da sein soll. Um das Ganze als Auszeit zu tarnen, mietet sie ein schickes Haus in Woodstock, nördlich von New York.
Geld scheint keine Rolle zu spielen, wenn schon Sterben, dann wenigstens in einer teuren und eleganten Umgebung. Das Dilemma dieser Freundschaftshilfe besteht darin, dass alle Dialoge mit entsprechender Stimmungsmusik unterlegt sind, was einen gewissen Verdoppelungseffekt erzeugt und wenig Raum lässt für die Imagination der Zuschauer. Streckenweise haben die Dialoge etwas von Sinnsprüchen über das Leben und den Tod. Martha beklagt den Neoliberalismus und die extreme Rechte, während John Turturro als ihr Ex-Lover angesichts des dramatischen Klimawandels das baldige Ende der Welt prophezeit.
Merkwürdig wirkt das demonstrative Name-Dropping. Ständig wird James Joyces Kurzgeschichte „The Dead“ zitiert. Verweise auf Faulkner, Hemingway, Edward Hopper und Martha Gellhorn zeugen vom kultivierten Background der Figuren, ohne etwas zur Dramaturgie beizutragen. Wenig stringent ist auch die Backstory um Marthas Tochter und ihren Vater, den sie nie gekannt hat, und die daraus resultierende Entfremdung zu ihrer Mutter.
Der subversive Humor, der Almodóvars frühe Filme ausgezeichnet hat, ist hier völlig verschwunden. Der ehemals anarchische Madrider Filmemacher ist zu einer Marke geworden und in der Pose des international bewunderten Kultregisseurs erstarrt. Die Marke Almodóvar lässt sich inzwischen in den USA besser vermarkten als im heimischen Spanien.
Wer einen gelungenen Film zum Thema Sterbehilfe sehen möchte, sollte sich François Ozons Tragikomödie „Tout s’est bien passé“ (Alles ist gut gegangen, 2021) mit André Dussollier und Sophie Marceau anschauen. Oder das italienische Drama „Miele“ von Valeria Golino mit der großartigen Jasmine Trinca als Sterbehelferin, das 2013 in Cannes von der Ökumenischen Jury ausgezeichnet wurde.