Der beste Film dieser Berlinale lief nicht im Wettbewerb, sondern in einer Nebenreihe, ‚Berlinale Special‘. Die Rede ist vom neuen Werk der Schweizer Regisseurin Petra Volpe, die mit Filmen wie „Traumland“ (2013) und „Die göttliche Ordnung“ (2017) international bekannt geworden ist. Ihr neuer Film, „Heldin“, ist in jeder Hinsicht herausragend. Leonie Benesch, seit „Das Lehrerzimmer“ (2023) ein internationaler Star, spielt die Krankenpflegerin Floria, die wir auf ihrer Spätschicht auf der Onkologie-Station in einem Schweizer Krankenhaus begleiten. Eine Kollegin ist ausgefallen, das Stresslevel ist hoch. Sie muss wehleidige und unverschämte Patienten betreuen, alle wollen etwas von ihr, und zwar sofort.
Aber „Heldin“ ist keine Sozialreportage über den Notstand in einem Kantonalspital, sondern die cineastisch beeindruckende Charakterstudie einer Frau am Rande des Wahnsinns. Der Film kommt mit einem Minimum an Dialogen aus, es geht um routinierte Handgriffe, Blut wird abgenommen, Blutdruck gemessen, Schmerzmittel werden verabreicht, Patienten zum CT oder in den OP-Saal geschoben.
Auch unter größtem Zeitdruck bleibt Floria freundlich und anteilnehmend. Leonie Benesch braucht wenig Worte, allein mit ihrer Mimik drückt sie die unterschiedlichsten Gefühlszustände aus. Unübersehbar wie sie im Laufe ihrer Schicht zunehmend gestresst wirkt, mal ein falsches Schmerzmittel verabreicht und eine Ärztin zur Rede stellt, die sich in den Feierabend verabschiedet, anstatt einen Patienten über seine Krebsdiagnose aufzuklären. „Nein, das ist nicht normal“, schreit sie zurück. Ein anmaßender Privatpatient bekommt nach einer unverschämten Beschwerde auch sein Fett ab. Man spürt, bei Floria liegen die Nerven blank.
Was den Film so herausragend macht, ist neben Petra Volpes präziser Inszenierung die Kamera von Judith Kaufmann. Sie lässt die ‚Heldin‘ nie aus dem Blick und schafft es, den scheinbar banalen Arbeitsalltag im Krankenhaus in einen Thriller zu verwandeln. Hans-Jörg Weissbrichs Schnitt gibt den Film den richtigen Rhythmus und ein präzises Timing. Hinzu kommt die Musik der in London lebenden französischen Komponistin Emilie Levienaise-Farrouch, die sich nie aufdrängt und das Geschehen auf subtile Weise untermalt. Nicht zu vergessen Leonie Benesch, die nach „Das Lehrerzimmer“ wieder ihre schauspielerische Extraklasse beweist. Bei ihr sitzt jeder Handgriff und jede Bewegung. Es ist ein Genuss, ihr zuzuschauen.
„Heldin“ ist ein Gesamtkunstwerk im besten Sinne des Wortes, ein herausragender deutschsprachiger Film, der eigentlich in den Wettbewerb gehörte, wo er alle möglichen Preise abgeräumt hätte. Aber offensichtlich hat die Berlinale auch unter neuer Leitung nichts aus dem Debakel gelernt, als man Ilker Çataks „Das Lehrerzimmer“ vor zwei Jahren in die Nebenreihe Panorama abschob. Eine Geringschätzung, die durch die Oscar-Nominierung als bester ausländischer Film auf spektakuläre Weise wiedergutgemacht wurde.