Venedig 2024: Die Preisträger

© Andrea Avezzù, La Biennale di Venezia - Foto:ASAC


Wenn man sich die Fotos anschaut, scheint die Preisverleihung in Venedig keine fröhliche Angelegenheit gewesen zu sein. Pedro Almodóvar schaut griesgrämig in die Kamera, und die Jury-Vorsitzende Isabelle Huppert sieht so aus, als sei sie einem übelwollenden Verpackungskünstler in die Hände gefallen, der sich als Modedesigner ausgegeben hatte. Die Preise selbst gaben wenig Anlass zur Freude. Es kam, wie es kommen musste, Pedro Almodóvar gewann mit „The Room Next Door“, seinem schwächsten Film seit langem, den Goldenen Löwen. Tilda Swinton und Julianne Moore sprechen 107 Minuten über Freundschaft und Sterbehilfe und wirken dabei so lebendig wie die dekorative Tapete im Hintergrund.

Nicole Kidman bekam den Preis für die beste Darstellerin, was angesichts ihrer starken Präsenz in „Babygirl“ nachvollziehbar war. Aber braucht jemand wie Nicole Kidman noch einen weiteren Preis? Dass die Favoritin Fernanda Torres leer ausging, ist bedauerlich. Ohnehin wurde der Film „I’m still here“ von Walter Salles, in dem sie die Hauptrolle spielt - für viele der überzeugendste Beitrag des Wettbewerbs -, mit dem Drehbuchpreis abgespeist. (Wenigstens gewann er den Preis der katholischen SIGNIS-Jury, während die protestantische INTERFILM-Jury den schwedischen Film „The Quiet Life“ aus dem Orizzonti-Wettbewerb mit ihrem Preis zur Förderung des interreligiösen Dialogs auszeichnete.)


Auch beim Preis für Vincent Lindon, der in jeder Rolle gut ist, als bestem Darsteller folgte die Jury ihrer Strategie, bekannte Namen auszuzeichnen und kein Risiko einzugehen. Der Regiepreis für Brady Corbet und sein dreieinhalb Stunden langes Architektenepos „The Brutalist“ ist mehr als schmeichelhaft. Der große Preis der Jury für die 48jährige Italienerin Maura Delpero ist immerhin eine Auszeichnung für eine unbekannte Regisseurin. Ihr historisches Drama „Vermiglio“ über ein Dorf in den Bergen des Trentino am Ende des 2. Weltkriegs wirkt wie eine ethnologische Dokumentation. Die Figuren sprechen Dialekt, der ohne Untertitel auch für Italiener unverständlich bliebe.


Ganz anders fielen die Entscheidungen dagegen bei den Preisen für die Nebenreihe „Orizzonti“ aus, wo die Jury eine mutigere Strategie verfolgte. Der Hauptpreis ging an Bogdan Mureșanus ironisch verspieltes Kinodebüt „The New Year That Never Came“ über eine Familie am Ende des Ceauşescu-Regimes in Rumänien. Der in Jaffa geborene Palästinenser Scandar Copti wurde mit dem Preis für das beste Drehbuch für seinen Film „Happy Holidays“ ausgezeichnet, eine in Haifa angesiedelte Familiengeschichte. In seiner Dankesrede verwies er auf den „andauernden Genozid in Gaza“.

© Fresco films / Red Balloon Film / Tessalit Productions / Intramovies


Deutliche Worte fand auch die Amerikanerin Sarah Friedland, als sie sich für den Regiepreis für ihr Spielfilmdebüt „Familiar Touch“ bedankte, in dem es um eine demente, aber unerschütterlich selbstbewusste Patientin in einem Pflegeheim geht. „Als jüdische Amerikanerin nehme ich den Preis am 336. Tag von Israels Genozid in Gaza und im 76. Jahr der Besatzung an. Ich glaube, es ist unsere Verantwortung als Filmemacher, unsere Möglichkeiten zu nutzen, um Israels Straflosigkeit auf der globalen Bühne anzusprechen. Ich stehe hier in Solidarität mit dem palästinensischen Volk und seinem Kampf um Befreiung.“

Was in Berlin einen Skandal provoziert hätte, wurde in Venedig mit großem Applaus bedacht.