Liefde is aardappelen
Eine lustige Frau turnt auf dem Balkon. Im Schnee wird Papier verbrannt. Ein ganzer Raum voller getragener Schuhe. Das Haus birst vor Erinnerungsstücken, Details, nach deren Bedeutung man sucht. Oder die für immer vergessen sind. Die Mutter der niederländischen Filmemacherin Aliona van der Horst lernte eines Tages einen Niederländer kennen, heiratete ihn und verließ Russland. Erst als van der Horst ihr Erbe empfängt – ein heruntergekommenes Holzhaus im russischen Niemandsland – befasst sie sich eingehender mit der Herkunft ihrer Mutter und deren Mutter und deren fünf weiteren Töchtern.
[video:https://youtu.be/z8H3kWH7Ho0]
Durchsetzt von den kraftvollen Animationen des italienischen Künstlers Simone Massi, erwacht in „Love Is Potatoes“ ein dunkles Kapitel sowjetrussischer Geschichte zum Leben, dem sich die Betroffenen auf ganz unterschiedliche Weise stellen. Abwehr und Leugnung zählen zu den Strategien, aber auch die schriftliche Annäherung über Briefe. Dieser Film ist von großer Schmerzhaftigkeit geprägt. Trotzdem gibt seine Regisseurin an keiner Stelle der Versuchung nach, daraus einen Schauwert zu machen. Wohl komponiert und maßvoll bringt sie die Elemente, die oft an Puzzlestücke erinnern, zusammen. (Katalogtext DOK Leipzig 2017/Carolin Weidner)
Der Film zeigt am Beispiel einer persönlichen Spurensuche ein Stück Weltgeschichte. Die Autorin geht ihren Wurzeln nach und findet in einem Haus in Russland, von dem sie ein kleines Stück erbt, Zeichen ihrer Herkunft, der Flucht, der Geschichte ihrer Familie, des Umgangs mit Vergangenheit, der Frage nach dem Vergessen, die Auswirkungen von Hunger. Das alles misst sich am Tod.
Aliona van der Horst nutzt Aufnahmen des Hauses, der Erinnerungsstücke, Briefe, Tonaufzeichnungen und insbesondere hervorragende Bilder des italienischen Animationskünstlers Simone Massi. So entsteht ein Kunstwerk von bewegender Tiefe nicht ohne zugleich ein Quäntchen Ironie und Humor zu wagen.