Wo ist der schmale Grat zwischen Abhängigkeit und Freiheit? Wo der zwischen Liebe und Unterwerfung? Zwischen Empathie und Verantwortung? Der verletzliche und behütete Yuri verlässt sein Zuhause, um Agostino zu folgen, einem mysteriösen Künstler voller düsterer Energie. Ihre Beziehung führt beide auf eine gefährliche Reise zu sich selbst. «Patagonia» bewegt sich zwischen Gewalt und Zartheit, Obsessivität und Selbstentdeckung. Der Film entlässt die Zuschauer:innen in einen mehrdeutigen Raum, in dem Verwandlung und Hoffnung möglich sind. (Foto: © Claudia Sicuranza)
76. Filmfestival Locarno
Die Ökumenische Jury in Locarno hat ihren mit 10.000 CHF dotierten Preis an die italienische Produktion "Patagonia" von Simone Bozzelli verliehen. Außerdem vergab die Jury eine Lobende Erwähnung an "Don't Expect Too Much From the End of the World" von Radu Jude, der auch einen Spezialpreis der internationalen Festivaljury erhielt. Der Goldene Leopard, der Hauptpreis des Festivals, ging an "Critical Zone" von Ali Ahmadzadeh, eine im Untergrund enstandene Produktion aus dem Iran. Den Preis nahm Produzent Sina Ataeian Dena entgegen, der zum Widerstand gegen autoritäre Regimes in aller Welt aufrief. Den Preis für die beste Regie verlieh die Festivaljury an Maryna Vroda aus der Ukraine für ihren Film "Stepne", der auch den Fipresci-Preis der internationalen Filmkritik gewann.
Link: Preisverleihung der internationalen Festivaljury
Link: Preisverleihung der unabhängigen Juries
Vor fünfzig Jahren, 1973, wurde in Locarno die erste ökumenische Jury eingerichtet. INTERFILM und SIGNIS feierten dieses Jubiläum während des Festivals mit einem ökumenischen Empfang, bei dem der Regisseur István Szabó mit dem Ehrenpreis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet wurde. Sein Film "Tüzolto utca 25." (Feuerwehrgasse 25) wurde 1974 in Locarno mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet. In diesem Jahr zeigte das Festival Szabós neuesten Film "Zárójelentés" (Abschlussbericht) als europäische Premiere. Außerdem nahm der Regisseur am 10. August an einem öffentlichen Podium teil, bei dem er mit den diesjährigen Jurymitgliedern Marie-Therese Mäder und Joachim Valentin über das Thema "Film, Kultur und Spiritualität - 50 Jahre Ökumenische Jury in Locarno" diskutierten wird. Moderatorin des Podiums war Ingrid Glatz, Vizepräsidentin von INTERFILM und Expertin für den ungarischen Film.
Das Festival wurde am 2. August auf der großen Freilichtbühne der Piazza Grande mit der französischen Produktion "Dammi" von Yann Mounir Demange eröffnet. Dabei wurde Hauptdarsteller Riz Ahmed mit dem Excellence Award ausgezeichnet. Die Ökumenische Jury vergab ihren Preis an einen Film aus dem internationalen Wettbewerb. Neben dem Programm der Piazza Grande und dem Internationalen Wettbewerb zeigte das Festival Filme auch in den Sektionen Concorso cineasti di presente, Pardi di domani, Open Doors, Fuori concorso und einer Reihe mit Filmen für Kinder. Die von dem Filmkritiker Olaf Möller kuratierte Retrospektive war dem mexikanischen Kino gewidmet. Die Reihe Histoire(s) de cinéma ehrte Filmkünstler, die in diesem Jahr vom Festival mit besonderen Preisen ausgezeichnet wurden, darunter der taiwanesische Regisseur Tsai Ming-liang, dem der Pardo alla carriera verliehen wurde.
Link: Interview mit Jurymitglied Marie-Thérèse Mäder
Link: Interview mit der INTERFILM-Festivaldelegierten Ingrid Glatz
Link: Interview mit Ehrenpreisträger István Szabó
Link: Bericht zum Ökumenischen Empfang
Link: Bericht zum Podium mit István Szabó
Auszeichnungen
Im Mittelpunkt des Films steht die Castingassistentin Angela, die Tag und Nacht für eine Produktionsfirma auf der Suche nach authentischen Akteur:innen für einen Imagefilm durch Bukarest fährt. Dabei nimmt sie aggressiv-obszöne TikTok-Videos auf, um ihren Frust zu kanalisieren. Am Ende steht eine Filmproduktion, in der Ausgebeutete für das «Whitewashing» eines westeuropäischen Versicherungskonzerns instrumentalisiert werden. Der Regisseur Radu Jude kombiniert brillant verschiedene Zeitebenen und Medienformate. Die in schwarz-weiss gedrehten Sequenzen des zentralen Handlungsstrangs werden unterbrochen von einem historischen rumänischen Farbfilm, in dessen Mittelpunkt ebenso eine Taxifahrerin mit ihren existenziellen Fragen steht. Der Film besticht durch konzise Kapitalismuskritik und seinen selbstreflexiven Modus. Die osteuropäischen Protagnist:innen behalten trotz der repressiven Arbeitsbedingungen ihre kulturelle Souveränität. (Foto: © 4Proof Film)