Ein Clown, der in seinem Wohnzimmer Faxen macht; eine Seiltänzerin, die auf ihrem Balkon im Training bleiben will, ein Zirkusdirektor, der in seinem Wohnwagen friert, weil er sich die Heizkosten nicht mehr leisten kann: Zoom sur le cirque/Zoom on Circus bringt soziale, politische und ästhetische Aspekte der Corona-Pandemie so treffend wie herzzerreißend zusammen: den menschlichen Wunsch, ja, die Notwendigkeit, auch in der Krise zu lachen; die Not von Kulturschaffenden und Künstlern, die davon bedroht sind, ihre Existenzgrundlage zu verlieren; die Improvisationskunst, die Zirkus wie Zoom und Co. gleichermaßen von uns verlangen und damit die technische und menschliche Möglichkeit, Distanz durch Humor zu verringern. Herzlichen Glückwunsch, Dominique Margot, zu diesem authentischen und unterhaltsamen Kurzfilm!
67. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen mussten auch 2021 zur Gänze online stattfinden. In dem um drei Wettbewerbssektionen - Internationaler und Deutscher Online-Wettbewerb sowie Internationaler MuVi-Preis für internationale Musikvideosa - erweiterten Programm des Festivals wurden insgesamt 400 Filme gezeigt. Die Eröffnung fand am 1. Mai ebenfalls online statt. Neben den Filmen, die dem Publikum für eine begrenzte Zeit und nach dem Erwerb eines Festivalpasses im Netz zur Verfügung standen, bot das Festival auch eine große Anzahl weiterer Veranstaltungen und Clips an.
Den neuen Wettbewerbssektionen trugen auch INTERFILM und SIGNIS Rechnung. Sie haben neben der Ökumenischen Jury für den Internationalen Wettbewerb eine zweite Jury berufen, die den Internationalen Online-Wettbewerb beobachtete. Wie bereits in den vergangenen Jahren berücksichtigten INTERFILM und SIGNIS auch den Kinder- und Jugendfilmwettbewerb, aus dem die Jurys zwei Filme mit einer Empfehlung auszeichneten.
Im Internationalen Wettbewerb zeichnete die Ökumenische Jury den Schweizer Beitrag "Zoom sur le cirque" mit ihrem Preis und "Home" aus Nepal mit einer Lobenden Erwähnung aus. Der Große Preis der Stadt Oberhausen ging an "Toumei na watashi" (Transparent, I am) von Yuri Muraoka aus Japan, der Hauptpreis an "8'28''" von Su Zhong aus China. Die Jury der internationalen Filmkritik (Fipresci) vergab ihren Preis an "{if your bait can sing the wild one will come} Like Shadows Through Leaves" von Lucy Davis (Singapur/Finnland 2021).
Im Internationalen Online-Wettbewerb vergab die Ökumenische Jury ihren Preis an "Minnen" (Memories) von Kristin Johannessen aus Schweden und Lobende Erwähnungen an "Cradle" von Paul Muresan aus Rumänien und an "Kalsubai" von Yudhajit Basu aus Indien, der auch den Großen Online-Preis der Stadt Oberhausen erhielt. "Trampa de luz" (Light Trap) von Pablo Marín aus Argentinien gewann den Online-Hauptpreis. Doppelt ausgezeichnet wurde "Un très long temps d'exposition" von Chloé Gallibert-Laîné (Frankreich 2020), und zwar mit dem e-flux-Preis und dem Online-Preis der Jury des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalens.
Die Preise im Kinder- und Jugendfilmwettbewerb gingen an "Nova" von Luca Meisters und "Dalía" von Brúsi Ólason (Empfehlungen der Ökumenischen Jury), "Kiki la plume" von Julie Rembauville und Nicolas Branco-Levrin (Preis der Kinderjury), "In Search of Chok-Chok" von Dayoon Kim (Förderpreis der Kinderjury), "Dọlápọ̀ Is Fine" von Ethosheia Hylton (Preis der Jugendjury) und an "Shower Boys" von Christian Zetterberg (Preis der ECFA-Kurzfilmjury).
Auszeichnungen
Home ist ein Film über einen Sohn, der zu seiner Familie nach Nepal zurückkehrt, um sich von seinem sterbenden Vater zu verabschieden. Der Sohn filmt diese letzten Tage, das Sterben und den Tod seines Vaters, die im Alltag dieser armen Bauernfamilie genauso einfach und natürlich erscheinen wie die kleinen Dinge, die gewöhnlich passieren.
Während der Film sehr bescheiden ist, erzählt er distanziert, aber sehr persönlich und emotional. Ähnlich wie die Mutter, die sich ihren religiösen Ritualen zuwendet, innerlich und in Stille trauert und ähnlich wie der Sohn, der, nachdem er sein Zuhause und seine einsame Mutter wieder verlassen hat, einsam trauert. Später, allein am Strand des Ozeans auf einem anderen Kontinent, wird er sich erinnern. Obwohl das alles traurig ist, ist dies die Ordnung seines Lebens.
Wie erinnern wir uns daran, wie wir einmal waren? Minnen ist eine authentische Dokumentation, in welcher wir, gemeinsam mit der Filmemacherin, auf ihre von Kontrollzwängen geprägte Vergangenheit zurückschauen. Animierte Sequenzen zeichnen ihre Gedanken der vergangenen Zeit einfühlsam nach. Mit originalem Bildmaterial aus ihrer Jugend und einem aktuellen Interview ihrer Eltern, zeigt uns Kristin Johannessen durch diese wiederbelebten Erinnerungen die Herausforderung des Anders-Seins und wie es ist ein Kind groß zu ziehen, das du nie ganz verstehen kannst, aber dennoch niemals aufgeben willst. Minnen ist das Festhalten an der Hoffnung, dass alles anders werden kann, selbst bei schwersten psychischen Leiden.
Kalsubai erforscht die Geschichte der Göttin Kalsu und ihre Bedeutung für die Frauen von Bari. Der Film setzt dabei auf starke visuelle und akustische Bilder, die weder erklären noch szenisch verfälschen. Die schon fast fotografisch anmutenden Bildkompositionen und ihre ausdrucksstarke Einfachheit machen den Film allen Menschen zugänglich und laden ein, über eigene kulturelle Prägungen nachzudenken und sie zu hinterfragen.
Leider verstecken viele Familien auch heute noch dunkle Geheimnisse. Der animierte Kurzfilm „Cradle“ untersucht die innersten Tiefen einer Familie, die von häuslicher Gewalt und Alkoholismus gebeutelt ist. In diesem Klima des Terrors sehen wir eine Mutter, die sich um ihr Neugeborenes kümmert und versucht, ihn und seinen großen Bruder zu schützen. Die Animationstechnik stellt die unterschiedlichen Geisteszustände der Charaktere perfekt dar und macht uns auf die Schwierigkeiten aufmerksam, mit denen jede Familie zu kämpfen haben könnte. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie das Lied "Cantec de leagan" - ein traditionelles rumänisches Schlaflied von Maria Tanase – mit den Animationen verwoben wird.
Vom Suchen und Finden der Liebe und der Schwierigkeit, mit ihr umzugehen. Die 14-jährige Nova übernimmt Verantwortung für ihre kleine Schwester und gerät dabei auf eine Entdeckungsreise zu ihren Gefühlen. Nova ist ein Film, der perfekt in Szene gesetzt und wunderbar fotografiert wurde. Das Drehbuch kommt ohne Pathos und inhaltliche Schwere aus und bleibt dennoch nicht an der Oberfläche. Ein stimmiger und tiefgründiger Film zugleich.
Die Atmosphäre der Unsicherheit bestimmt den Wochenendbesuch eines Jungen bei seinem Vater. Ein steiniger Weg der gegenseitigen Annäherung auf einem entlegenen Bauernhof in der kargen und beeindruckenden Landschaft Islands beginnt. Die Verletzung des Pferdes Dalía löst eine entscheidende Veränderung in der Beziehung der beiden aus. Ein Film, der die Thematik des Abschiednehmens aus verschiedenen Perspektiven ruhig und eindrücklich zeigt.