Die internationale Filmkultur, die am Festival Visions du Réel in Nyon gezeigt und diskutiert wird, hat sich bisher auch als sensible Plattform für den Dialog zwischen verschiedenen religiösen Kulturen und Werthaltungen präsentiert. Entsprechend wurden die vier Mitglieder der erstmals in Nyon vertretenen Interreligiösen Jury in ihren Erwartungen nicht enttäuscht. Die formal wie inhaltlich abwechslungsreichen und vielseitigen 18 Filme des Wettbewerbsprogramms zeichneten sich sowohl durch ihre unverwechselbare Qualität wie unvergleichbare Darstellung der Wirklichkeit aus und gaben Anlass für einen intensiven Gedanken- und Meinungsaustausch. Der Interreligiöse Filmpreis ging an den finnischen Film "Fata Morgana", der die kulturelle Assimilation und Russifizierung des Nomadenvolks der Tschuktschen nachzeichnet. Der von der Interreligiösen Jury ebenfalls vergebene Spezialpreis der John Templeton Stiftung ging an "Un dragon dans les eaux pures de caucase" (The Pipeline Next Door) der Georgierin Nina Kirtadze, der ebenfalls den Hauptpreis der Internationalen Festivaljury gewann. Er schildert den Bau einer Pipeline in einem für sein heilsames Wasser berühmten Tal des Kaukasus, im Konflikt mit einem kaukasischen Bauerndorf.
Der Film ist eine durch Legenden und Mythen geprägte allegorische Annäherung an die menschlichen und existentiellen Grundfragen: Woher komme ich, wer bin ich und wohin gehe ich? Die Filmemacher bringen diese auf harmonische Weise zur Darstellung, indem sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit Hilfe von Archivbildern, animierten Sequenzen und rekonstruierten Aufnahmen in Einklang bringen.
Der Film beschäftigt sich mit der Dominierung von Minderheiten in Kultur, Wirtschaft und Religion. Er ist ein unaufdringlicher, aber bestimmter Aufruf zu gegenseitigem Verstehen und Annehmen, und eine Einladung, Wahrheit als etwas zu betrachten, das mit Bescheidenheit und Mut zu suchen ist.