Wasser schenkt und empfängt, es umfängt und gibt frei. Leben und Liebe, Erinnerung und Zukunft spiegeln sich in ihm, dem Urprinzip. Die Schildkröte trägt ihre Eier aus dem Meer ans Land und zieht sich wieder ins Meer zurück. Die Eier sind zusammen dort und doch jeweils allein für sich. „Each egg a globe, each globe a world, each world a universe.” Wir leben miteinander, sagt der Vater; wir leben ineinander, sagt die Mutter.
Vom Kleinen, in dem Samen und Urkraft des Ganzen und des Großen liegen, von der Liebe von Mutter und Vater erzählt dieses wundervolle Werk. Poetisch, sanft und metaphorisch, ein Gedicht der Worte von Kind und Mutter, ein Gedicht der Bilder von Meer, Land und Sand ist diese künstlerische Kostbarkeit. Sie ragt heraus durch ihren Dialog der Stimmen miteinander und der Worte mit den Bildern. Die Fotos lassen den Zuschauer innehalten und die Ruhe des Urprinzips fühlen, die Filmsequenzen umfangen seine eigene Bewegung im Schwarm der Fische und der Nähe der Familie. So viel mehr als Materie ist diese Welt, so viel mehr als eine geteilte Zahl an Tagen ist die Liebe zueinander. Schöpfung ist die Einheit des Lebens.
63. Internationale Kurzfilmtage
Die Ökumenische Jury vor dem Festivalkino "Lichtburg" (© Kurzfilmtage/Daniel Gasenzer)
Die 63. Internationalen Kurzfilmtage zeigten insgesamt 499 Filme aus 58 Ländern, von denen 148 in einem der fünf Wettbewerbe (Internationaler Wettbewerb, Deutscher Wettbewerb, NRW-Wettbewerb, MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo und Kinder- und Jugendkino) liefen. Die Ökumenische Jury wählte ihren Preisträger aus den 56 Filmen des internationalen Wettbewerbs und vergab eine Empfehlung im Programm des Kinder- und Jugendkinos.
Mit ihrem Preis zeichnete die Jury den kenianischen Experimentalfilm "Seeds" von Philippa Ndisi-Hermann aus. Sie vergab außerdem eine Lobende Erwähnung an die britische Produktion "The Separate System" von Katie Davies. Ihre Empfehlung für den Ankauf eines Films durch die kirchlichen Vertriebsgesellschaften Katholisches Filmwerk und Matthias-Film ging an den norwegischen Film ""Gos leat don?" (Wo bist du?) von Egil Pedersen. Die Internationale Jury zeichnete den chinesischen Beitrag "Qiu" (Late Summer) von Cui Yi mit dem Großen Preis der Stadt Oberhausen aus und vergab den Hauptpreis der Jury an "500.000 Pee" (500.000 Years) von Chai Siris aus Thailand. Die Jury der Internationalen Filmkritik (Fipresci) vergab ihren Preis ebenfalls an eine chinesische Produktion, "Zheng pian zhi wai" (Off Takes) von Hao Jingban.
"Thematisch wie ästhetisch bilden die Kurzfilmtage die enorme Bandbreite des kurzen Formats ab, in dem international nach wie vor die Freiheit des Ausdrucks größer ist als im zumeist stärker normierten langen Format und das auch 2017 eine wichtige Quelle für die Erneuerung der Filmsprache bleibt," so das Festival in seiner Pressemitteilung zum diesjährigen Programm.
Aus der Sicht von Hilke Doering, Leiterin des Internationalen Wettbewerbs, "fällt in diesem Jahr, vor allem in außereuropäischen Filmen, die Auseinandersetzung mit Folgen von Geopolitik und Identitätspolitik ins Auge." Neben den Wettbewerben zeigte das Festival zahlreiche thematische Programme und Werkschauen. Eine davon war dem deutschen Künstler Bjørn Melhus gewidmet, der auch zwei Vorlesungen hielt. Das Themenprogramm unter dem Titel "Soziale Medien vor dem Internet", kuratiert von dem in Mainz lehrenden Medientheoretiker Tilman Baumgärtel, widmete sich den "vielseitigen und teils wenig bekannten Formen alternativer Medienarbeit vor der weltweiten digitalen Vernetzung" im Zeitraum 1960-1990.
Link: Festival-Website
Auszeichnungen
Pflichten sind zu erfüllen, Aufgaben zu erledigen, das System von Militärdienst, Alltags-/Berufsleben und Familie ist zu bewältigen. Für andere übernehmen die Soldaten Verantwortung; wenn sie im Beziehungsgeflecht scheitern, sind sie jedoch alleine: Die strafgefangenen ehemaligen Soldaten werden verurteilt und eingesperrt. Sie wissen wofür, aber nicht, warum. Weil ihre Bestrafung damit stellvertretend für die Flucht der Gesellschaft in die Ratlosigkeit erfolgt, koppelt sie die Menschen, um die es geht, von sich ab.
Der Film gibt diesen Soldaten eine Stimme, er erzählt sein eindrucksvolles Thema in rauen O-Tönen und stimmigen, präzise fotografierten Bildern. Die als Zäsuren platzierten handschriftlichen Notizen verdichten die Not der Gefangenen, richten ihre Plädoyers der Wut oder Verlorenheit gemeinsam mit der Bildebene an uns, die Gemeinschaft.
Dass der Sinn nur noch leer ist, wird gegen Ende dieses wuchtigen und wichtigen Werkes emblematisch. Der Heimatverein Liverpool FC als großes verbindendes Element der Gemeinschaft wird sichtbar – doch dessen damit implizit transportierte, allbekannte Hymne „You’ll never walk alone“ verstärkt umso mehr die Doppelbödigkeit der Situation der ehemaligen Soldaten. Ihr Leben ist eingelagert in einem engen separaten System der Gesellschaft. Der Raum von Schuld wird weit. Er öffnet die Fragen von Gewalt und Gesellschaft und jene nach den Konstitutiven des Menschlichen, nach Grund und nach Identität.
Gos leat don? findet seine Wirklichkeit ohne große Worte, indem er stattdessen Bilder und Musik verbindet und zwischen Kurzfilm und Musikvideo agiert. Sein bestechendes Sounddesign nimmt nichts vorweg, sondern interagiert, treibt mal voran oder folgt ein anderes Mal den Bilder und der Geschichte nach, um über die Wirklichkeit hinauszugehen. Ästhetik und „Punch“ dieses Kurzfilm-Musikvideos stellen Fragen jenseits der Altersgrenzen und ragen deshalb im Jugendfilmwettbewerb wie im internationalen heraus. Es ruft damit auf, radikal genug zu sein, um einen besseren Wurzelgrund zu schaffen: aus dem, was in den alten Kulturen wie der der Sami, aus der der Film stammt, bewahrt liegt, und aus dem, was im Jenseits unseres selbstbegrenzten Zugangs liegt - um diesseits des Ästhetisch-Mystischen wieder zum Spirituellen zu gelangen.