Während viele religiöse Filme an ihren Bekehrungsbemühungen oder an einer befremdlichen Frömmigkeit scheitern, gelingt es LA NEUVAINE, Glaubensgewissheit zu respektieren und gleichzeitig die Schwierigkeiten anzuerkennen, in einer säkularen Welt und im Schatten gewaltsamer Tragödien an Gott zu glauben Ein junger Mann, der für seine sterbende Großmutter einen neuntägigen Gebetsritus vollzieht, trifft auf eine durch das Erlebnis sinnloser Gewalt traumatisierte Ärztin. Ihre Begegnung führt nicht zu Wundern oder einer Bekehrung, sondern zu Güte und erneuerter Hoffnung.
58. Internationales Filmfestival Locarno
Die Ökumenische Jury Locarno 2005 (© Festival del Film Locarno, Massimo Pedrazzini)
Locarno 2005 hatte für INTERFILM eine besondere Bedeutung. Die 1955 in Paris gegründete Organisation feierte dort im Rahmen einer ökumenischen Matinée ihr 50. Jubiläum. Zu Beginn referierte die deutsche Theologin Julia Helmke über die Geschichte von INTERFILM, die sie in ihrer Dissertation (Kirche, Film und Festivals - Geschichte sowie Bewertungskriterien evangelischer und ökumenische Juryarbeit in den Jahren 1948 bis 1988) erforscht und vorgestellt hat. Im Anschluss diskutierten Repräsentanten der kirchlichen Filmarbeit unter Leitung von INTERFILM-Präsident Hans Hodel über den Dialog zwischen Kirche und Film. Aus Anlass des Jubiläums erscheint auch eine Publikation zur INTERFILM Geschichte (Kirche und Film im Dialog - Church and Film in Dialogue. Fünfzig Jahre INTERFILM - Fifty Years INTERFILM 1955-2005).
Zum Abschluss des Festivals verlieh die Ökumenische Jury ihren Preis für den besten Film des Wettbewerbs an "La neuvaine" von Bernard Émond aus Kanada. Mit einer Lobenden Erwähnung hob die Jury außerdem den Film "Brudermord" von Yilmaz Arslan hervor, der auch einen Silbernen Leoparden gewann.
Der Goldene Leopard ging an "Nine Lives" von Rodrigo García aus den USA, ein Spezialpreis der Internationalen Jury an den französischen Wettbewerbsbeitrag "Un couple parfait" von Nobuhiro Suwa. Die Fipresci-Jury des Verbands der internationalen Filmkritik gab ihren Preis an "A Perfect Day" (Mia yperohi mera) von Joana Hadjithomas und Khalil Joreige, eine französisch-libanesisch-deutsche Koproduktion.
Auszeichnungen
Die Ökumenische Jury vergibt eine Lobende Erwähnung an den Film FRATRICIDE von Yilmaz Arslan. FRATRICIDE fordert zur Auseinandersetzung mit dem drängenden europäischen Flüchtlingsproblem heraus. Der Film spielt unter Kurden in Deutschland. Yilmaz Arslan verbindet die komplexe Geschichte zweier Brüder sowohl mit Szenen physischer Gewalt als auch mit dem anrührenden Bild freundschaftlicher Fürsorge. Sein Film ist eine Anklage gegen Rassismus und Ignoranz, aber auch ein Plädoyer für umfassende Menschlichkeit und Würde.